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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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als einen Mann vollkommen in ihrer Gewalt zu haben?
    Lulu
mit den Absätzen klirrend
    O ja!
    Escerny
verwirrt
    Unter gebildeten Menschen finden Sie nicht einen, der Ihnen gegenüber nicht den Kopf verliert.
    Lulu
    Ihre Wünsche erfüllt Ihnen aber niemand, ohne Sie dabei zu hintergehen.
    Escerny
    Von einem Mädchen wie Sie betrogen zu werden, muß noch zehnmal beglückender sein, als von jemand anders aufrichtig geliebt zu werden.
    Lulu
    Sie sind in Ihrem Leben noch von keinem Mädchen aufrichtig geliebt worden!
(Sich rücklings gegen ihn stellend, auf ihr Korsett deutend)
Würden Sie mir den Knoten auflösen. Ich habe mich zu fest geschnürt. Ich bin immer so aufgeregt beim Ankleiden.
    Escerny
nach wiederholtem Versuch
    Ich bedaure; ich kann es nicht.
    Lulu
    Dann lassen Sie. Vielleicht kann ich es.
(Geht nach rechts.)
    Escerny
    Ich gestehe ein, daß es mir an Geschicklichkeit gebricht. Ich war vielleicht im Verkehr mit Frauen nicht gelehrig genug.
    Lulu
    Dazu haben Sie in Afrika wohl auch nicht viel Gelegenheit?
    Escerny
ernst
    Lassen Sie mich Ihnen offen gestehen, daß mir meine Vereinsamung in der Welt manche Stunde verbittert.
    Lulu
    Gleich ist der Knoten auf…
    Escerny
    Was mich zu Ihnen hinzieht, ist nicht Ihr Tanz. Es ist Ihre körperliche und seelische Vornehmheit, wie sie sich in jeder Ihrer Bewegungen offenbart. Wer sich so sehr wie ich für Kunstwerke interessiert, kann sich darin nicht täuschen. Ich habe während zehn Abenden Ihr Seelenleben aus Ihrem Tanze studiert, bis ich heute, als Sie als Blumenmädchen auftraten, vollkommen mit mir ins klare kam. Sie sind eine großangelegte Natur – uneigennützig. Sie können niemanden leiden sehen. Sie sind das verkörperte Lebensglück. Als Gattin werden Sie einen Mann über alles glücklich machen… Ihr ganzes Wesen ist Offenherzigkeit. – Sie wären eine schlechte Schauspielerin…
    Die elektrische Klingel tönt über der Tür.
    Lulu
hat die Schnüre ihres Korsetts etwas gelockert, holt tief Atem, mit den Absätzen klirrend
    Jetzt kann ich wieder atmen. Der Vorhang geht auf.
(Sie nimmt vom Mitteltisch ein Skirtdancekostüm – Plissee, hellgelbe Seide, ohne Taille, am Hals geschlossen, bis zu den Knöcheln reichend, weite Blusenärmel – und wirft es sich über)
Ich muß tanzen.
    Escerny
erhebt sich und küßt ihr die Hand
    Erlauben Sie mir, noch ein wenig hierzubleiben.
    Lulu
    Bitte, bleiben Sie.
    Escerny
    Ich bedarf etwas der Einsamkeit.
    Lulu ab.
Sechster Auftritt
    Escerny
allein
    Was ist Noblesse? – Ist es Verschrobenheit, wie bei mir? – Oder ist es leibliche und geistige Vervollkommnung, wie bei diesem Mädchen? –
(Klatschen und Bravorufen wird hörbar)
Wer mir den Glauben an die Menschen zurückgibt, gibt mir mein Leben zurück. – Sollten Kinder dieser Frau nicht fürstlicher sein an Leib und Seele als Kinder, deren Mutter nicht mehr Lebensfähigkeit in sich hat, als ich bis heute in mir fühlte?
(Er setzt sich links vorn, schwärmerisch)
Der Tanz hat ihren Körper geadelt…
Siebenter Auftritt
    Alwa. Escerny.
    Alwa
    Man ist keinen Moment sicher, daß nicht ein armseliger Zufall der Vorstellung den Garaus macht!
(Er wirft sich rechts neben dem Spiegel in den Armsessel, so daß die beiden Herren gerade umgekehrt wie vorher placiert sind. Beide führen die Unterhaltung etwas blasiert und apathisch.)
    Escerny
    So dankbar hat sich das Publikum aber noch nie gezeigt.
    Alwa
    Sie hat den Skirtdance beendet.
    Escerny
    Ich höre sie kommen…
    Alwa
    Sie kommt nicht. – Sie hat keine Zeit. – Sie wechselt das Kostüm hinter der Kulisse.
    Escerny
    Sie hat zwei Ballerinakostüme, wenn ich nicht irre?
    Alwa
    Ich finde, daß ihr das weiße besser steht als das in Rosa.
    Escerny
    Finden Sie?
    Alwa
    Sie nicht?
    Escerny
    Ich finde, sie sieht in dem weißen Tüll zu körperlos aus.
    Alwa
    Ich finde, sie sieht in dem Rosatüll zu animalisch aus.
    Escerny
    Ich finde das nicht.
    Alwa
    Der weiße Tüll bringt mehr das Kindliche ihrer Natur zum Ausdruck!
    Escerny
    Der Rosatüll bringt mehr das Weibliche ihrer Natur zum Ausdruck!
    Die elektrische Klingel tönt über der Tür.
    Alwa
aufspringend
    Um Gottes willen, was ist da los!
    Escerny
sich gleichfalls erhebend
    Was ist mit Ihnen?
    Die elektrische Klingel tönt fort bis zum Schlusse der Szene.
    Alwa
    Da ist was passiert…
    Escerny
    Wie können Sie gleich so erschrecken?
    Alwa
    Das muß eine höllische Verwirrung sein.
(Ab.)
    Escerny
folgt ihm.
    Die Tür bleibt offen. Man hört gedämpfte

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