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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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hoffentlich …
    FÜRST.
    Schweigen Sie, oder …
(Schwingt die Knute.)
    SCHWIGERLING
ruhig.
    Oder?
    FÜRST
sich besinnend.
    Ich lasse Sie vor die Türe werfen. Meine Kinder sind von der Wiege auf an die Knute gewöhnt. Wenn die drei Stunden aufhören, Striemen zu spüren, dann tanzen sie Ihnen auf der Nase herum. Das kann ich von einer Schweizer Gouvernante billiger haben. Wenn Sie ihnen Savoir-vivre beibringen wollen, dann müssen Sie etwas in der Hand haben. Ich will Ihnen zeigen, wie man Kinder erzieht,
(Öffnet die Tür links und ruft.)
Enjuscha, Alioscha! Holla!
    SCHWIGERLING.
    Den hätte Renz nicht den Stall putzen lassen!
Zehnter Auftritt
    Enjuscha. Alioscha. Vorige.
    Enjuscha, Alioscha machen Front gegen das Publikum. Schwigerling rechts, der Fürst links.
    FÜRST.
    Dieser Herr, meine Kinder, ist euer Gouverneur. Werdet ihr alles bei euch behalten, was er euch beibringt?
    ENJUSCHA, ALIOSCHA
zuckend.
    Ja, Väterchen!
    FÜRST.
    Werdet ihr gebildete Umgangsformen annehmen? Werdet ihr eine Rolle in der Welt spielen lernen?
    ENJUSCHA, ALIOSCHA
zuckend.
    Ja, Väterchen!
    FÜRST.
    Werdet ihr ihm hinterrücks Gesichter schneiden und ihm auf der Nase herumtanzen?
    ENJUSCHA, ALIOSCHA
zuckend.
    Ja, Väterchen!
    FÜRST
zu Schwigerling.
    Da sehn Sie's nun! Da sehn Sie's! Da haben Sie's! –
(Zu den Kindern, die Knute schwingend.)
Was werdet ihr?!
    Enjuscha, Alioscha haben sich unter Geschrei nach hinten geflüchtet.
    SCHWIGERLING
dem Fürsten in den Arm fallend.
    Halt, Freund!
    FÜRST
stößt ihn beiseite.
    Zum Kuckuck mit Ihnen!
(Zu den Kindern.)
Hierher, oder …
    Die Kinder nehmen ihre frühere Stellung ein. Ihnen die Knute unter die Nase haltend.
    Werdet ihr eurem Gouverneur auf der Nase herumtanzen?!
    ENJUSCHA, ALIOSCHA
zuckend.
    Nein, Väterchen!
    FÜRST
wie oben.
    Werdet ihr ihn respektieren? Werdet ihr in allem nach seinem Beispiel tun?
    ENJUSCHA, ALIOSCHA
zuckend.
    Nein, Väterchen!
    FÜRST.
    Dummköpfe!
(Sich abwendend, zu Schwigerling.)
Die Begabung ist da, wie Sie sehen. Die haben sie von ihrem Vater. Verfahren Sie energisch und liebevoll und vergessen Sie die nötige Aufmunterung nicht.
(Ihm die Knute in die Hand drückend.)
Hier haben Sie sie. Ich werde täglich den Lektionen beiwohnen, um mich persönlich von Ihrem Eifer zu überzeugen.
(Sich die Backe haltend, für sich.)
Ich muß das Krokodil doch noch um Verzeihung bitten.
(Nach rechts hinten ab.)
Elfter Auftritt
    Vorige ohne den Fürsten.
    SCHWIGERLING
die Knute auf dem Rücken, auf und ab gehend.
    Das ist meine Art Dressur nicht, Iwan Michailowitsch! – Ehrgeiz kitzeln! Selbstgefühl wachrufen! Im Zirkus hat man andere Begriffe von Erziehung. Das Tier muß seinen Stolz dareinsetzen, hinüberzukommen, mit Anmut, mit Sicherheit über jedes erdenkliche Hindernis! Ich löse die Glieder, damit der Geist sie durchbebt, damit Freiheit und Freude durch jede Ader zittert, bis die Faszination in hellen Funken aus beiden Augen sprüht! – Das Tier muß seine Muskeln schwellen, seine Brust sich heben fühlen, wenn es der Welt gegenübertritt! – Darüber sprechen wir noch ein Wort, Fürstliche Durchlaucht!
(Er knallt mit der Knute.)
    Enjuscha, Alioscha, die regungslos im Vordergrund stehengeblieben, zucken zusammen und brechen in kurzes Wimmern aus.
    SCHWIGERLING.
    Ich tue euch kein Leid, meine Kinder. Wir verstehen uns schon ohne Striemen.
(Er reißt die Knute entzwei und drückt jedem ein Teil in die Hand.)
Bewahrt das vorläufig zum Andenken, und tritt euch je wieder jemand damit entgegen, dann – dann springt ihm ins Gesicht und kratzt ihm die Augen aus.
(Sich abwendend, für sich.)
Ich vergesse ganz, wo ich bin.
(Geht in Gedanken nach hinten.)
Zwölfter Auftritt
    Katharina. Die Vorigen. Später Cölestin.
    KATHARINA
von rechts hinten in knapper Promenaden-Toilette, Schwigerling bis zum Schluß des Auftrittes geflissentlich übersehend.
    Da seid ihr ja! Fahrt mit nach Nikolskoje hinaus! Ihr dürft kutschieren.
    ENJUSCHA, ALIOSCHA
ihr die Hände küssend.
    Oh, mit tausend Freuden, Katja Alexandrowna!
    KATHARINA
sich losmachend.
    Hu, diese Weichlichkeit! Das wollen Männer werden! – Geht, macht euch fertig.
    Enjuscha, Alioscha nach links vorn ab.
    KATHARINA
nimmt von dem Tisch links ihre Handschuhe und rührt die Glocke. Vorn auf und nieder gehend, indem sie die Handschuhe anzieht.
    Mir träumte von einem Adler, der hatte Schwingen, daß er den Himmel ausmaß, und er trug einen Strick am Fuß, der ihn unten am Boden hielt. Schließlich brach ihm das Herz.

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