Dramen
mit gefälschten Dokumenten. Das Mädchen ist Berlinerin, war zwei Jahre verheiratet, und das mit einem Mann, um den du sie beneidet hättest, einem ehemaligen Kameraden von mir. Er reist jetzt in Diensten einer Hamburger Kolonialgesellschaft.
Lulu
munter
Dann besucht er seine Frau ja vielleicht gelegentlich.
Casti-Piani
Das ist nicht ausgeschlossen. Aber höre diesen impulsiven Ausdruck ihrer Seligkeit! Mein Mädchenhandel erscheint mir durchaus nicht ehrenvoller, als ihn der erste beste Richter taxieren würde; aber solch ein Freudenschrei läßt mich für den Augenblick eine gewisse sittliche Genugtuung empfinden. Ich bin stolz darauf, mein Geld damit zu verdienen, daß ich das Glück mit vollen Händen ausstreuen
(Er liest)
»Lieber Herr Meier!« So heiße ich als Mädchenhändler – »Wenn Sie nach Berlin kommen, gehen Sie bitte sofort in das Konservatorium an der Potsdamer Straße und fragen Sie nach Gusti von Rosenkron – das schönste Weib, das ich je in Natur gesehen habe; entzückende Hände und Füße, von Natur schmale Taille, gerader Rücken, strotzender Körper, große Augen und Stumpfnase – ganz so, wie Sie es bevorzugen. Ich habe ihr schon geschrieben. Mit der Singerei hat sie keine Aussicht. Die Mutter hat keinen Pfennig. Leider schon zweiundzwanzig, aber verschmachtend nach Liebe. Kann nicht heiraten, weil vollkommen mittellos. Habe mit Madame gesprochen. Man nimmt mit Vergnügen noch eine Deutsche, wenn gut erzogen und musikalisch. Italienerinnen und Französinnen können mit uns nicht wetteifern, weil zu wenig Bildung. Wenn Sie Fritz sehen sollten… « – Fritz ist der Mann; er läßt sich natürlich scheiden – »… dann sagen Sie ihm, alles war Langeweile. Er wußte es nicht besser, ich wußte es auch nicht…« – jetzt folgt die Aufzählung ihrer Glückseligkeiten…
Lulu
Ich kann nicht das einzige verkaufen, das je mein eigen war.
Casti-Piani
Laß mich doch weiterlesen!
Lulu
Ich liefere dir heute abend noch unser ganzes Vermögen aus.
Casti-Piani
Glaub mir doch um Gottes willen, daß ich euren letzten Sou schon bekommen habe. Wenn wir nicht bis elf Uhr das Haus verlassen haben, dann transportiert man dich morgen mit deiner Sippschaft per Schub nach Deutschland.
Lulu
Du kannst mich nicht ausliefern!
Casti-Piani
Meinst du, das wäre das Schlimmste, was ich in meinem Leben gekonnt habe? – Ich muß für den Fall, daß wir heute nacht nach Marseille fahren, nur rasch noch ein Wort mit Bianetta reden.
Casti-Piani geht ins Spielzimmer, die Tür hinter sich auf lassend. Lulu starrt vor sich hin, das Billett, das ihr Rodrigo zusteckte und das sie während des ganzen Gesprächs zwischen den Fingern hielt, mechanisch zerknitternd. Alwa erhebt sich hinter dem Spieltisch, ein Wertpapier in der Hand, und kommt in den Salon.
Alwa
zu Lulu
Brillant! Es geht brillant! Die Geschwitz setzt eben ihr letztes Hemd. Puntschu hat mir noch zehn Jungfrau-Aktien versprochen. Die Steinherz macht ihre kleinen Profitchen.
(Er geht nach links vorne ab.)
Lulu
allein
Ich soll in ein Bordell? – –
(Sie liest den Zettel, den sie in der Hand hält, und lacht wie toll.)
Alwa
kommt von links zurück, eine Kassette in der Hand
Machst du denn nicht mit?
Lulu
Gewiß, gewiß. Warum nicht!
Alwa
Apropos, im »Berliner Tageblatt« steht heute, daß sich der Alfred Hugenberg im Gefängnis aus dem dritten Stockwerk ins Treppenhaus hinuntergestürzt hat.
Lulu
Ist denn der auch im Gefängnis?
Alwa
Nur in einer Art von Präventivhaft. Gerüchtweise verlautet, sein Vater, der Polizeidirektor, habe, während der Junge beerdigt wurde, Selbstmordversuch gemacht.
Alwa geht ins Spielzimmer ab. Lulu will ihm folgen. In der Tür tritt ihr die Gräfin Geschwitz entgegen.
Die Geschwitz
Du gehst, weil ich komme?
Lulu
Weiß Gott, nein. Aber wenn du kommst, dann gehe ich.
Die Geschwitz
Du hast mich um alles betrogen, was ich an Glücksgütern auf dieser Welt noch besaß. Du könntest in deinem Verkehr mit mir zum allerwenigsten die äußerlichen Anstandsformen wahren.
Lulu
Ich bin gegen dich so anständig wie gegen jede andere Frau. Ich bitte dich nur, es auch mir gegenüber zu sein.
Die Geschwitz
Hast du die leidenschaftlichen Beteuerungen vergessen, durch die du mich, während wir zusammen im Krankenhaus lagen, dazu verführtest, daß ich mich für dich ins Gefängnis sperren ließ?!
Lulu
Wozu hast du mir denn vorher die Cholera angehängt?! Ich habe während des Prozesses noch ganz andere
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