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Dramen

Titel: Dramen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Wedekind
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Geschwitz
    Scheren Sie sich zum Henker!
    Casti-Piani
Lulu in den Salon führend
    Sie erlauben mir nur zwei Worte.
    Lulu
während ihr Rodrigo unbemerkt einen Zettel in die Hand drückt
    Bitte, soviel Sie wollen.
    Rodrigo
    Ich habe die Ehre, mich zu empfehlen.
(Ins Spielzimmer ab.)
    Casti-Piani
zur Geschwitz
    Lassen Sie uns allein!
    Lulu
zu Casti-Piani
    Habe ich Sie wieder durch irgend etwas gekränkt?
    Casti-Piani
da sich die Geschwitz nicht vom Fleck rührt
    Sind Sie taub?
    Die Geschwitz geht tief aufseufzend ins Spielzimmer ab.
    Lulu
    Sag es nur gleich heraus, wieviel du haben willst.
    Casti-Piani
    Mit Geld kannst du mir nicht mehr dienen.
    Lulu
    Wie kommst du auf den Gedanken, daß wir kein Geld mehr haben?
    Casti-Piani
    Weil du mir gestern euren letzten Rest ausgehändigt hast.
    Lulu
    Wenn du dessen sicher bist, wird es ja wohl so sein.
    Casti-Piani
    Ihr seid auf dem trocknen, du und dein Schriftsteller.
    Lulu
    Wozu denn die vielen Worte? – Wenn du mich bei dir haben willst, brauchst du mir nicht erst mit dem Henkerbeil zu drohen.
    Casti-Piani
    Das weiß ich. Ich habe dir aber schon mehrmals gesagt, daß du gar nicht mein Fall bist. Ich habe dich nicht ausgeraubt, weil du mich liebtest, sondern ich habe dich geliebt, um dich ausrauben zu können. Bianetta ist mir von oben bis unten angenehmer als du. Du stellst die ausgesuchtesten Leckerbissen zusammen, und wenn man seine Zeit verplempert hat, ist man hungriger als vorher. Du liebst schon zu lang, auch für unsere Pariser Verhältnisse. Einem gesunden jungen Menschen ruinierst du nur das Nervensystem. Um so vorteilhafter eignest du dich für die Stellung, die ich dir ausgesucht habe.
    Lulu
    Du bist verrückt! – Habe ich dich gebeten, mir eine Stellung zu verschaffen?
    Casti-Piani
    Ich sagte dir doch, daß ich Stellenvermittlungsagent bin.
    Lulu
    Du sagtest mir, du seiest Polizeispion.
    Casti-Piani
    Davon kann man nicht leben. Ursprünglich war ich Stellenvermittlungsagent, bis ich über ein Pfarrerstöchterchen stolperte, dem ich eine Stellung in Val Paraiso verschafft hatte. Das Holdchen hatte sich in seinen kindlichen Träumen das Leben noch berauschender vorgestellt und beklagte sich bei Mama. Darauf wurde ich festgesetzt. Durch charaktervolles Benehmen gewann ich mir aber rasch das Vertrauen der Kriminalpolizei. Mit einem Monatswechsel von hundertfünfzig Mark schickte man mich hierher, weil man wegen der ewigen Bombenattentate unser hiesiges Kontingent verdreifachte. Aber wer kommt hier mit hundertfünfzig Mark im Monat aus? – Meine Kollegen lassen sich von Kokotten aushalten. Mir lag es natürlich näher, meinen früheren Beruf wiederaufzunehmen. Die Französin geht, wenn sie das Herz auf dem rechten Fleck hat, allerdings nicht ins Ausland. Aber von den unzähligen Abenteuerinnen, die sich hier aus den besten Familien der ganzen Welt zusammenfinden, habe ich schon manches lebenshungrige junge Geschöpf an den Ort seiner natürlichen Bestimmung befördert.
    Lulu
    Ich tauge nicht für diesen Beruf.
    Casti-Piani
    Deine Ansichten über diese Frage sind mir vollkommen gleichgültig. Die Staatsanwaltschaft bezahlt demjenigen, der die Mörderin des Doktor Schön der Polizei in die Hand liefert, tausend Mark. Ich brauche nur den Sergeant de ville heraufzupfeifen, der unten an der Ecke steht, dann habe ich tausend Mark verdient. Dagegen bietet das Etablissement Oikonomopulos in Kairo sechzig Pfund für dich. Das sind fünfzehnhundert Francs, das sind zwölfhundert Mark, also zweihundert Mark mehr, als der Staatsanwalt bezahlt. Übrigens bin ich immerhin noch soweit Philanthrop, um meinen Lieben lieber zum Glücke zu verhelfen, als daß ich sie ins Unglück stürze.
    Lulu
    Das Leben in einem solchen Haus kann ein Weib von meinem Schlag nie und nimmer glücklich machen. Als ich fünfzehn Jahre alt war, hätte mir das gefallen können. Damals verzweifelte ich daran, daß ich jemals glücklich werden würde. Ich kaufte mir einen Revolver und lief nachts barfuß durch den tiefen Schnee über die Brücke in die Anlagen hinaus, um mich zu erschießen. Dann lag ich aber glücklicherweise drei Monate im Spital, ohne einen Mann zu Gesicht zu bekommen. In jener Zeit gingen mir die Augen über mich auf, und ich erkannte mich. In meinen Träumen sah ich Nacht für Nacht den Mann, für den ich geschaffen bin und der für mich geschaffen ist. Und als ich dann wieder auf die Männer losgelassen wurde, da war ich kein dummes Gänschen mehr. Seither sehe ich es jedem bei

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