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Dramocles

Dramocles

Titel: Dramocles Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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sollte das alles führen? Und dieser junge Bursche, mit dem er im Palast der Erinnerung geredet hatte – war das wirklich er selbst gewesen? Er glaubte, früher anders gewesen zu sein. Aber wenn nicht er selbst, wer war es dann gewesen? Da ging irgend etwas sehr Seltsames vor, vielleicht sogar etwas Bedrohliches.
    Ihm wurde plötzlich bewußt, wie dürftig das alles war. Ein Besuch einer alten Dame, ein paar Briefe, ein paar Erinnerungen – und deswegen riskierte er einen totalen Krieg.
    In einem abrupten Gefühlsumschwung erkannte er, daß er sofort Frieden schließen mußte, solange das noch möglich war. Es durfte nicht noch mehr Schaden angerichtet werden.
    Sobald er wieder in seinem Palast war, ließ Dramokles John, Snint und Adalbert zu sich rufen. Er hatte sich dazu entschieden, ihnen ihre Planeten zurückzugeben, seine Truppen abzuziehen, sich zu entschuldigen und ihnen zu sagen, daß er vorübergehend nicht bei Verstand gewesen sei. Er probte gerade seine Rede, als ein Bote ihm mitteilte, daß die Könige sich nicht mehr auf Glorm aufhielten. Sofort nachdem Dramokles zu Drusilla abgeflogen war, hatten sie sich zu ihren Schiffen aufgemacht. Niemand hatte Befehl erhalten, sie daran zu hindern. Nur Rufus war noch da, treu wie stets.
    »Verflucht«, sagte Dramokles und verlangte John am interplanetaren Telefon.
    Baron John war nicht zu erreichen. Auch Snint und Adalbert nicht. Erst eine Woche später hörte er wieder von ihnen. John war nach Crimsole zurückgekehrt und hatte ein Dreißigtausend-Mann-Heer nach Lekk geschickt, um Snints belagerte Streitkräfte zu unterstützen. Rux’ demoralisierter Armee, die sich nun plötzlich in einem Zwei-Fronten-Krieg befand, drohte die völlige Vernichtung.
    Zuerst traurig, dann aber mit wachsendem Zorn, schickte Dramokles Kommandeur Rux Verstärkung und richtete sich auf einen langen Krieg ein.
    18
    Einen Krieg zu führen, war eine neue Erfahrung für Dramokles, der an keinerlei regelmäßige Arbeit gewöhnt war. Doch nun war sein sorgenfreies, zielloses Leben vorüber. Er ließ sich jeden Morgen um acht Uhr wecken und traf gewöhnlich um halb zehn im Kriegszimmer ein. Dann las er einen Computerausdruck über die Ereignisse der vergangenen Nacht, ließ sich eine Einschätzung der Gesamtlage geben und wandte sich dann dem Schlacht-Management zu.
    Eine Wand des Kriegszimmers war mit Bildschirmen angefüllt. Jeder Bildschirm zeigte einen anderen Sektor des Schlachtfeldes: Es gab kleinere Bildschirme für Einzelgefechte bis hinunter auf Zugstärke. Auf jedem Schirm wurde ständig die Zahl der Gefallenen auf beiden Seiten eingeblendet. An jedem Schirm gab es außerdem eine Statusleuchte – Grün für Sieg, Gelb für noch unentschieden, Rot für gefährlich, Schwarz für Niederlage.
    Dramokles kümmerte sich gewöhnlich persönlich um zwei oder mehr rote Sektoren. Er war ein geborener Stratege, und es gelang ihm, fast alle seine Schlachten mit einem siegreichen Grün zu beenden. An guten Tagen fühlte er, daß er den Krieg auf Lekk ganz allein hätte gewinnen können, er allein und seine Robottruppen, wenn man ihn nur einmal für ein paar Tage in Ruhe gelassen hätte. Aber das war unmöglich. Selbst eine einzige Stunde verging selten ohne Störung. Ein ständiger Strom dringender Probleme forderte die Aufmerksamkeit des Königs. Glorm ließ sich nicht länger nach den Maximen Orhos des Sonderbaren regieren.
    Auch konnte sich Dramokles nicht so sehr von seinem Privatleben lösen, wie er sich das wünschte. Lyrae rief ihn ständig mit neuen Vorschlägen für den Krieg im Büro an. Um des lieben Hausfriedens willen mußte Dramokles sie ernst nehmen, oder es wenigstens vorgeben. Mehrere seiner Exfrauen riefen ihn ebenfalls ständig an, und seine älteren Kinder wollten natürlich auch ihren Beitrag leisten.
    Wenn eine besonders schwierige Schlacht im Gange war, arbeitete Dramokles oft bis spät in die Nacht. Zuerst fuhr er, wie jedermann sonst auch, mit der Palastbahn zwischen dem Kriegszimmer und seinen Schlafzimmern hin und her. Max überzeugte ihn schließlich, daß es eine ziemliche Zeitvergeudung bedeutete, Tag für Tag auf den überfüllten Palast-Express zu warten. Von da an benutzte er einen Korridor-Wagen. Sein Sohn Sanizat schlüpfte in die Rolle des Chauffeurs und schaffte es trotzdem noch, seine Hausaufgaben zu machen. Sanizat machte der Krieg wirklich Spaß.
    Der Konflikt auf Lekk zog sich Woche für Woche hin, kostete Roboter, wertvolle Ausrüstung und, als die

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