Dramocles
Kämpfe heftiger wurden, auch Menschenleben. Dramokles versuchte mehrmals, Kontakt zu John und Snint aufzunehmen, aber, sie antworteten nicht auf seine Telegramme.
Rufus kehrte schließlich nach Druth zurück, ließ mobilmachen und erwartete Dramokles’ Anweisungen. Dramokles hatte vorgehabt, Prinz Chuch Rufus als militärischen Verbindungsmann zur Seite zu stellen. Das war ein unwichtiger, aber prestigeträchtiger Posten, auf dem der Junge in Sicherheit gewesen wäre. Aber Chuch war nicht mehr auf Glorm. Niemand wußte, wo er sich aufhielt. Dramokles fürchtete das Schlimmste.
19
Es war die letzte Nacht der Vollmonde, die den Planeten Vanir umkreisten. Die Monde standen tief über dem Horizont und warfen ihr kaltes, gelbes Licht auf die felsige Ebene von Hrothmund und beleuchteten im Süden die Salzwiesen des Viragolandes, wo Haldemar, der hohe König, während der Mauserzeit Hof hielt.
Falf, die Nachtwache an diesem ruhigen Grenzposten, gähnte und stützte sich schwer auf seinen Strahlenspeer. Es gab eine Menge, worüber Falf nachzudenken hatte, denn er war seit drei Tagen Witwer, man hatte ihn ins Team der Minekoshka Axthockey-Stars aufgenommen, und er hatte gerade seinen ersten Gedichtband veröffentlicht. An diese Dinge dachte er mit der Direktheit und kindlichen Einfalt des echten Barbaren. So hörte er die leisen Geräusche hinter sich nicht und drehte sich erst um, als jemand oder etwas einen Laut von sich gab, der wie ein Räuspern klang.
»Wer da?« rief Falf, dem vor Schreck die Haare zu Berge standen.
»Heda!« rief jemand aus der Dunkelheit.
»Was soll das heißen, >heda« fragte Falf.
»Heda, heda!«
»Noch ein >heda<, und ich werde einen Punkt hinter deinen Satz machen«, sagte Falf. Er stellte den Regler seines Strahlenspeers auf »Grillen« und zielte in die Richtung, aus der die Stimme seiner Meinung nach gekommen war.
Dann tauchte ein Mann hinter Falfs Schulter aus der Dunkelheit auf. Der verwitwete Sportler-Dichter sprang zurück, stolperte über seinen Strahlenspeer und wäre gefallen, wenn der Fremde ihn nicht hilfreich am Ellbogen gefaßt hätte.
»Meine Name ist Vitello«, sagte der Fremde. »Ich wollte dich nicht erschrecken. Ich bin ein Emissär.«
»Ein was?«
»Ein Emissär.«
»Ich glaube, dieses Wort kenne ich nicht«, sagte Falf.
»Es bedeutet, daß mein König mich geschickt hat, um mit deinem König zu reden.«
»Ja, jetzt weiß ich wieder«, sagte Falf. Er überlegte eine Weile, dann fragte er: »Woher weiß ich, daß du wirklich ein Emissär bist?«
»Ich kann mich ausweisen«, sagte Vitello.
»Was ich wissen will, ist, wenn du ein Emissär von einen anderen König bist, wo ist dann dein Raumschiff?«
»Dort drüben«, sagte Vitello und zeigte auf eine Baumgruppe in hundert Yards Entfernung. Falf richtete den Strahl eines Suchscheinwerfers auf die Bäume, und tatsächlich, da stand ein Raumschiff.
»Da mußt du aber bei der Landung sehr leise gewesen sein«, sagte Falf.
»Weil, unsere Schiffe kann man nämlich noch aus zehn Meilen Entfernung landen hören. Das hängt wohl mit der Beplankung zusammen. Natürlich versetzt das Geräusch unsere Feinde in Angst und Schrecken, oder jedenfalls sagt man uns das, aber darüber kann man natürlich geteilter Meinung sein, nicht wahr?«
»Allerdings«, sagte Vitello.
»Nun«, sagte Falf, »ich melde das wohl besser, auch wenn ich dabei keine besonders gute Figur mache.« Er nahm das Walkie-Talkie von seinem Schwertgürtel und wählte eine Nummer. »Wache? Sergeant Urnuth? Hier ist Falf, Außenposten 12. Ich habe hier einen ausländischen Emissär, der mit dem König sprechen will. Richtig. Nein, es bedeutet Bote. Natürlich hat er ein Raumschiff, es parkt hundert Yards von hier. Ja, sehr leise, glatte Außenhülle. Nein, das ist kein Witz, und ich bin auch nicht betrunken.«
Falf schaltete das Walkie-Talkie ab. »Sie schicken jemanden. Was will euer König unserem König sagen?«
»Das wirst du herausfinden, wenn euer König es euch sagt«, entgegnete Vitello.
»War ja nur eine Frage. Du kannst es dir ruhig bequem machen. Es wird mindestens eine Stunde dauern, bis sie hier sind. Ich habe etwas Flechtenbier in meiner Feldflasche. Weißt du was? Mir sind in dieser Woche schon drei merkwürdige Dinge passiert, und das hier ist nun das vierte.«
»Erzähl mir von den anderen«, sagte Vitello, während er sich auf den Boden setzte. Er hüllte sich in seinen Mantel, um sich gegen die Nachtkühle zu schützen.
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