Dramocles
glaubt, ich wolle ihn verraten.«
Er wandte sich dem Operationschef zu. »Wir setzen den Rückzug unserer Schiffe fort. Wir lassen den Feind durch. Dramokles will es so!«
38
Schnell wurde es für Dramokles offensichtlich, daß Rufus’ Flotte nichts unternahm, um den Feind aufzuhalten, sondern sich, im Gegenteil, weiter zurückzog, während John und Haldemars vereinigte Flotte sich weiter auf Glorm zubewegte.
Dramokles reichte Drusillas Telegramm an Chemise weiter. Sie las es und dachte einen Augenblick nach. Dann fragte sie: »Wo ist die Lady Drusilla jetzt?«
»Zu Hause, nehme ich an«, sagte Dramokles. Er ließ sich mit Ystrad verbinden. Ein Diener meldete sich am Telefon und teilte ihm mit, daß die Prinzessin schon vor Stunden in großer Eile nach Druth aufgebrochen war.
»Was will sie denn jetzt in Druth?« überlegte Dramokles.
»Dafür kann es nur einen Grund geben«, sagte Chemise. »Sie ist zu Rufus geflogen, um ihm zu gestehen, was sie getan hat. Rufus, der nun glauben muß, daß Sie ihn für einen Verräter halten, versucht weiter getreulich nach Ihren Wünschen zu handeln, indem er Ihre Befehle umkehrt, weil er glaubt, daß Sie das in Wirklichkeit von ihm wollen.«
»Das ist ein bißchen kompliziert für Rufus«, sagte Dramokles. »Dennoch, ich glaube, Sie haben recht. Was für eine Verwirrung! Aber es ist noch immer Zeit, den Fehler zu korrigieren. Ein weiterer Befehl müßte ausreichen, um die Flotte von Druth doch noch in die Schlacht zu werfen.«
Dramokles griff nach dem Telefon. Ehe er zum Wählen kam, erschien in der Mitte des Kriegszimmers ein glühendes, purpurrotes Licht. Es pulsierte heftig, und Glöckchengeklingel war zu hören. Gelbe und rote Lichtschlangen erschienen, die glitzerten und funkelten wie mittelalterliche Verskunst, und da waren auch Trompetenklänge und dröhnende Paukenschläge.
Als das purpurrote Licht verblaßte, stand an seiner Stelle ein Mann. Er war groß und von stämmiger Gestalt. Er trug einen langen, schillernden Mantel mit einem hohen Kragen. Darunter trug er einen einfachen, einteiligen Springeranzug aus rotem Nylon. Er war in den Fünfzigern, kahlköpfig und hatte einen langen, dünnen, herabhängenden Schnurrbart, wodurch er Ming dem Gnadenlosen ähnelte.
Alle waren vorübergehend sprachlos, mit Ausnahme des Computers, der aber aus gutem Grund vorgab, es zu sein. Dramokles stand der Mund sperrangelweit offen, was wenig königlich aussah. Er klappte ihn hastig zu, schluckte geräuschvoll und sagte: »Vater! Bist du es wirklich?«
»Natürlich bin ich es«, sagte Otho. »Eine nette Überraschung, was, Junge?«
Chemise zupfte Dramokles aufgeregt am Ärmel. »Sie sagen, das sei Ihr Vater? Das ist ausgeschlossen! Ich habe diesen Mann auf der Erde getroffen. Das ist Tlaloc!«
»Das alles ist mir ein Rätsel«, sagte Dramokles, »und es gefällt mir absolut nicht. Dad, wir glaubten, du seiest tot. Ich denken, wir haben einiges zu besprechen. Aber zuerst muß ich einen wichtigen Telefonanruf erledigen.«
»Ich weiß über den Anruf bei Rufus Bescheid«, sagte Otho, »und ich bitte dich, noch einen Augenblick damit zu warten. Ich habe Informationen für dich, die für deine Entscheidung von großer Wichtigkeit sind.«
Dramokles machte ein skeptisches Gesicht. »Gut, aber fasse dich kurz«, sagte er. »Jeden Augenblick kann ein interplanetarer Krieg ausbrechen.«
Otho zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Er schlug die Beine übereinander, öffnete den Reißverschluß einer seiner Anzugtaschen und holte eine Zigarre hervor. Er zündete sie an und sagte: »Ich nehme an, du fragst dich, was ich hier verloren habe, wo ich doch angeblich vor dreißig Jahren bei einer Laborexplosion auf Gliese ums Leben gekommen bin. In Wahrheit ereignete sich folgendes.«
Jedermann im Kriegsraum ahnte, was nun kommen würde, und bereitete sich auf einen langen und unvermeidlichen Einschub vor.
39
Otho bestieg den Thron von Glorm unmittelbar nach der Ausmerzung der Suessianischen Bewegung, jener Irrlehre, die, so absurd das heute klingen mag, ganz Glorm in einen Bürgerkrieg zu stürzen drohte. Obwohl dieser Bericht keine Politik oder Religionsgeschichte sein will und noch weniger eine Abhandlung über die glormische Früh- und Vorgeschichte, so ist doch ein wenig Hintergrundinformation vonnöten, um dem nicht-glormischen Leser Othos Leben und Taten näherzubringen.
Glorm entwickelte sich ganz ähnlich wie viele andere Planeten. Nachdem eine feurige Sonne ihn geboren
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