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Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft

Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft

Titel: Draußen - Reportagen vom Rand der Gesellschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Redline Wirtschaft
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ihnen näherkommt.
    Franziska heißt in Wirklichkeit nicht Franziska, aber sie will niemanden betrügen und niemandem das Leben schwer machen. Viele Jobs kommen daher nicht infrage. Für Assistenzdienste bei Behinderten werden in der Regel Helfer gesucht, die Zahlungsbestätigungen ausstellen – das geht unter falscher Identität nicht. Für die Altenpflege fehlen Franziska die Erfahrung und medizinische Grundkenntnisse. Babysitten kann sie zwar – doch irgendwie hat sie ein schlechtes Gewissen bei dem Gedanken, gestresste Jungeltern, die auf der Suche nach einer längerfristigen Vertrauensperson sind, nach ein, zwei Besuchen wieder sitzen zu lassen.
    Bleibt also das Putzen. Zum Beispiel bei Frau D. In einem schmucken Einfamilienhaus im Villenviertel, einem gutbürgerlichen Haushalt mit einem Messie-Problem. Zwei feuchte Hundeschnauzen haben Franziska begrüßt und Frau D. hat sie eingewiesen, wie sie wahrscheinlich schon viele Haushaltshilfen eingewiesen hat. Hier sind die Schwämmchen, dort die Putzmittel. »Die Küche wischen«, lautet ihr erster Auftrag. Doch in dieser Küche ist nichts frei, was man wischen könnte. Da liegen Teedosen, Wecker, Ziermagnete, Ersatzbatterien, Müsli-Probepackungen, Seidenblumen, Werbegeschenke, Ladegeräte, Plastikfiguren, Teile von Küchengeräten, jahrealte Gewürzmischungen und Styroporverpackungen, alles nach keinem erkennbaren System zu komplexen Landschaften ineinandergeschichtet. Frau D. drückt mir eine Sellerieknolle in die Hand, ehe sie die Küche verlässt. Ich versuche, die Knolle irgendwo abzulegen, aber es gelingt mir nicht: auf dem Fensterbrett, auf und in den beiden Kühlschränken, in den Nischen über der Kaffeemaschine, alles voll. Ich lege die Knolle auf den Boden und beginne, die festgebackenen Türme zu entwirren, um die Flächen darunter freizulegen.
    Es dauert nicht lange, bis ich begreife, dass die Falle zugeschnappt ist. Hat man nämlich erst einmal alles aus einer Ecke herausgezerrt, kriegt man es niemals mit demselben Volumen wieder in dieselbe Ecke zurück. Dass die Flächen, die darunterliegen, jetzt gewischt sind, wird niemals jemand wahrnehmen. Dafür schaut die Küche jetzt noch chaotischer aus als vorher.
    Nach einer Stunde bin ich erschöpft und verzweifelt, meine Arbeitgeberin ist ungehalten. »Sie müssen noch viel lernen«, sagt sie und nimmt mir vorwurfsvoll das Schwämmchen aus der Hand. Etwas in mir will sich verteidigen. Will sagen, dass nicht ich das Problem in dieser Küche bin, sondern alles andere. Aber wer bin ich, dass ich mir ein Urteil über diese Ordnung, diesen Haushalt, dieses Leben anmaße? Ich bin Franziska, 7 Euro. Ich nicke bloß.
    Während ich die Badewanne putze, purzeln mir vom Badewannenrand Dutzende verstaubte Shampoo-Probefläschchen entgegen – soll ich die tatsächlich alle einzeln abwischen? Ich entleere mit den Fingern alle Abfalleimer, ohne die darin befindlichen Plastiksäcke wegzuwerfen, denn die werden, wie mir Frau D. eingeschärft hat, wiederverwendet, »wegen dem Umweltschutz«. Ich arbeite mich mit dem Staubsaugerrohr um Stapel alter Zeitungen herum, da liegt auch eine Ausgabe mit meinem Kolumnenbild, ich platziere zur Sicherheit eines der vielen herumliegenden Gutscheinhefte obendrauf. Ich beziehe das Ehebett frisch, inzwischen kleben schon ganze Büschel von Hundehaaren an meinen Socken. Und irgendwann stehe ich vor einer Dampfbügelstation und schäme mich.
    Ich hatte am Telefon behauptet, ich könne bügeln. Doch schon an der ersten Dirndlbluse scheitere ich; der Kragen, die Fältchen, die schwierigen Puffärmel. Ich weiß, dass Frau D. mit ihrem missbilligenden Blick recht hat, doch je mehr Tipps sie mir gibt, desto verstockter werde ich. Ich schicke trotzige Dampfstöße und will sagen: Ich kann das hier nicht, dafür kann ich etwas anderes. Aber das darf ich nicht sagen und es täte hier, an der Dampfbügelstation, auch nichts zur Sache. Schließlich ziehe ich den Kopf zwischen die Schultern und trolle mich davon, schuldbewusst, mit 40 Euro in der Tasche. Frau D. war nicht sehr zufrieden mit mir.
    Noch tagelang werde ich Hundehaare an meinen Kleidern finden, noch tagelang wird das Gefühl an mir nagen, ich hätte versagt. Und noch tagelang beschäftigt mich die Frage: Wie hätte sich die Demütigung angefühlt, wäre Franziska keine recherchierende Journalistin gewesen, sondern »echt«? Schlimmer? Weniger schlimm? Andererseits: Was macht die »echte« Haushaltshilfe eigentlich aus und was

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