Draussen
wie mich abzubekommen. Vermutlich hatte ich da die absolute Auswahl. Ich klickte auf einen attraktiven Zweiundvierzigjährigen und las mir seine Antworten durch. Er schien Humor zu haben. So antwortete er auf die Frage, ob er tierlieb sei: Ich mag nur liebe Tiere. Die anderen esse ich. Das war süß! Er las, hatte einen guten Musikgeschmack und machte Sport. Das war doch was. Einen Moment dachte ich an den Pfarrer aus »Harold and Maude« und an seinen Ekel vor »welkem Fleisch«, überwand das aber schnell und schickte Clooneyschorsch eine kleine Flirteinladung. Wenig später sah ich, dass er sich mein Profil ansah und freute mich, bestimmt würde er gleich antworten! Richtig, mein Briefkasten blinkte. Seine Nachricht Danke, du bist nicht mein Typ traf mich mehr, als ich gedacht hatte. Mann, der konnte doch froh sein! Dankbarkonnte er sein! Der Arsch. Clooneyarsch. Was war denn los? Mathis mochte mich nicht, der jetzt auch nicht, stimmte irgend etwas nicht mit mir? Hatte ich neuerdings einen Oberlippenbart? Mein Handy vibrierte. Eine SMS von Ulf. »Kannst du morgen mit mir einkaufen fahren für abends? Harry hat abgesagt.« Ja, wenigstens Ulf mochte mich. »Klar! Hol mich um zehn ab!«, schrieb ich zurück. Vielleicht hatte er Recht und wir sollten es wenigstens ausprobieren. An seinem Geburtstag würde ich ihn küssen, nahm ich mir vor. Also morgen. Ich musste mir Kaugummi besorgen.
Kapitel 19 Warum nicht?
Eigentlich war es total unnötig, dass ich mitgekommen war zum Einkaufen. Ulf wollte kochen, im kleinen Rahmen, für ein paar handverlesene Freunde. Connie war eingeladen, sein alter Kumpel Björn nebst Freundin, und selbst sein Bruder Werner mit seinem Freund Klaus wollte extra aus Berlin kommen. Das war’s. Als ich ihn darauf ansprach, wozu er mich denn brauche beim Einkaufen, sah er mich nur an: »Ach, es ist einfach netter, wenn wir das zu zweit machen!« Das stimmte. Es war wirklich schön mit Ulf. Und ich kannte das gut, dass man etwas nicht alleine machen wollte. Außer die Dinge, die man alleine machen wollte. Ulf hatte sich ein Drei-Gänge-Menü ausgedacht. Wir schnibbelten, ich deckte den Tisch und wir unterhielten uns. Er bestrich gerade den Fisch sorgfältig mit einer Marinade und erzählte von Ulrike. Es schien, als hätte er sich schon ganz gut mit der Trennung abgefunden. Wenn ich ihn mir so ansah und seiner angenehmen Stimme lauschte, kam mir seine Idee mit dem Versuch, ein Liebespaar zu werden, gar nicht mehr so bescheuert vor. Er war zwar vom Äußeren her nun wirklich nicht mein Typ, sein Haar war zu schütter, er hatte einen kleinen Bauch, und ich mochte eigentlich dieses Ziegenbärtchen nicht bei Männern. Er hatte etwas von einem Zwerg. Einem sehr großen Zwerg. Aber: Ich mochte ihn. Wenn ich ihn mir so anschaute, überkam mich einfach ein Gefühl großer Vertrautheit. Ich liebte seinen Humor und seine Ideen. Und: Er konnte toll kochen. Wir waren in einem ähnlichen Umfeld aufgewachsen, er las gerne und war kulturell interessiert. Rein verstandesmäßig passten wir wirklich total gut zusammen. Wir erzählten uns immer von unseren unbefriedigenden Erlebnissen bei der Partnersuche, vielleicht übersahen wir dabei, dass wir zusammengehörten? Als hätte er meine Gedanken gelesen, sah Ulf von seinem Fisch auf. »Küss mich!« sagte er. Das fand ich nun wiederum blöd. »Wieso sagst du: ›Küss mich!‹ anstatt es einfach zu machen?« – »Na, ich finde, das war jetzt nicht gerade eine Situation, in der ich dich einfach küssen konnte.« – »Stimmt! Überhaupt nicht! Wieso sollte ich dich dann küssen?« – »Vielleicht, weil ich dich aufgefordert habe?« Er schien etwas genervt und unruhig. »So geht das nicht«, sagte ich ruhig. »Wir sind alte Freunde, ich kann dich nicht einfach küssen!« – »Wieso nicht?« – »Weil … es nicht geht«, sagte ich und ging aus der Küche. Verdammt, ich wollte es gern ausprobieren, einerseits, andererseits fand ich die ganze Situation bizarr. Konnte man das nicht anders versuchen? Ohne küssen? Ich wollte ihn einfach nicht küssen. Ich hatte keine Lust. Mathis wollte ich küssen, Stefan wollte ich immer noch küssen, aber Ulf? Ulf war mein Freund! Mein Kumpel! Wir hatten eine Menge miteinander erlebt. Zusammen hatten wir bei den Studenten-Streiks im Philosophenturm übernachtet, wir waren segeln gewesen und ich hatte ihm nach der Trennung von seiner ersten großen Liebe nächtelang am Telefon beigestanden. Er hatte für mich noch einmal bei Stefan
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