Draussen
war schnell mit einer anderen zusammengekommen, da hatte ich das sofort abgehakt. Ich wusste nicht mal, ob ich fand, dass er gut aussah. Es tangierte mich überhaupt nicht. Ulf war ein Kumpel, er war eher wie eine Freundin für mich. Auf jeden Fall niemand, den ich begehrenswert fand. Ich fing doch auch nichts mit Connie an! »Küss mich! Ich mach das nicht, du musst es schon tun!« Er sah mich mit großen, traurigen Hundeaugen an. »Aber Ulf, du bist betrunken!« – »Du auch!« – »Aber anscheinend nicht genug, um diesen Scheiß mitzumachen!« – »Wer sagt denn, dass es ein Scheiß ist? Vielleicht verlieben wir uns total ineinander! Wir kennen und mögen uns jetzt schon so viele Jahre, vielleicht sind wir beiden das ideale Paar?« Er kam immer näher und umfasste meine Taille, wie er sie noch nie umfasst hatte. Es fühlte sich dermaßen seltsam an, dass ich mich ihm energisch entwand und ihn unsanft von mir stieß. Außerdem, was dachte der sich eigentlich! Ich war doch kein Notnagel. Den man in der Not nag … gut, das hatte er ja so auch nicht gesagt. Aber da war gerade mit seiner Freundin Schluss, da fiel ihm auf einmal sein guter alter Kumpel Sara ein. »Wieso kommst du denn jetzt plötzlich damit? Und: Wie stellst du dir das vor, wenn es nicht klappt? Wie wollen wir dann wieder zum normalen Freundesein zurück?« fragte ich empört. »Das geht schon. Wenn man sich so mag, wie wir uns, geht das schon. Jetzt küss mich doch endlich!« – »Nein! Und nicht nur das, du gehst jetzt besser. Ich hab keinen Bock auf diese Klaus-Lage-Nummer. Um diese Uhrzeit bekommt man am besten ein Taxi. Tschüss, Ulf. Wir sprechen, wenn du wieder nüchtern bist.« Mit diesen Worten schob ich ihn zur Tür hinaus, schloss ab und legte mich wieder auf mein Sofa. »Na, immerhin besser als Fernsehen, der Abend«, dachte ich noch, bevor ich einschlief.
Ich hatte befürchtet, dass Ulf mir nach diesem peinlichen Ereignis aus dem Weg gehen würde. Aber im Gegenteil: Er schickte mir lustige Mails und Postkarten und rief mich an, um sich mit mir zu verabreden. Mit Ulrike schien es wirklich und endgültig vorbei zu sein und ich hatte ihm geraten, sie erst einmal nicht mehr zu treffen, um besser mit der Situation zurechtzukommen. Er hatte sich bei mir entschuldigt, und ich wusste ja auch, dass die besonderen Umstände, zu denen nicht zuletzt fast drei Liter Tempranillo gehörten, das Ihre dazu beigetragen hatten. Trotzdem ertappte ich mich dabei, wie ich manchmal begann, auf eine romantische Art an Ulf zu denken, worüber ich dann sofort erschrak. Gut, es kam auch vor, dass Geiseln sich in ihre Entführer verliebten, und Prince Charles hatte sich ja damals auch für Camilla entschieden, die Liebe ging also manchmal seltsame Wege, aber dass Ulf und ich zusammenkommen konnten, hielt ich doch für sehr unwahrscheinlich. Auch wenn es bestimmt sehr große Nadelöhre und sehr schlanke, gelenkige Kamele gab. Heute fuhr Mathis an die Ostsee. Tatsächlich überlegte ich für einen kleinen Moment, ob ich ihm nicht per SMS viel Spaß wünschen sollte, kam dann aber zu dem Schluss, dass er den auch ohne meinen Wunsch haben würde, wahrscheinlich sogar eher als mit. Ich musste Mathis abhaken, aber irgendwie merkte ich, dass ich mir ganz schön viel Hoffnung gemacht hatte. Nun, dann musste ich die eben auf jemand anderen projizieren. Und wo konnte man das besser als im Internet? Ich loggte mich ein. Steffi war zu einem Kundentermin außer Haus, ich hatte schon fast alles erledigt, was ich vor dem Wochenende noch schaffen wollte, und so konnte ich mich also in aller Ruhe bei »LiveLove« vergnügen. Tagsüber waren ganz andere Männer online – solche, die es sich nur während der Arbeitszeit erlaubten, mal einen Blick ins Netz zu werfen, weil ihnen sonst die Zeit zu kostbar war. Und bei denen es sein konnte, dass sie plötzlich mitten im Gespräch offline gingen, weil der Chef oder ein Kollege reinkam. Oh, ein Neuer! Der sah aber sehr sympathisch aus. Mal gucken, was er so schrieb. Unter »Was machen Sie in Ihrer Freizeit?« schrieb er: »Freizeit.« Wollte wohl witzig sein. Seine Hobbys waren »Fernsehen und Autos«. Also anscheinend kein Nobelpreisanwärter. Schade. Ich sah mir noch andere Fotos von ihm an, er war jetzt nicht mein Typ, sah aber sehr sympathisch aus. Ich war ja immer nur im unteren Segment aktiv gewesen, eventuell musste ich mir doch mal einen älteren Mann suchen, schließlich konnten die froh sein, ein junges und attraktives Ding
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