Dray Prescot 04-Die Armada von Scorpio
hörst mit der Kriegspielerei sofort auf. Du bist ein Kov! Du mußt dein Land weise regieren und auf die Ratschläge deiner Mutter und Inchs hören. Sonst versohle ich dir das Fell! Und du, Tilda, du solltest auf den Jholaix-Wein verzichten, denn Pando braucht nüchterne Ratschläge. Ihr beide müßt euch auf Inch verlassen. Er kennt meine Einstellung.«
Wenn sich diese Worte pompös und autoritär anhören, ich sagte nur die Wahrheit, und das war im Augenblick das wichtigste. Ich konnte kaum noch an mich halten. Vallia! Delia! Die Sehnsucht nach ihr brannte in meinen Adern, erfüllte mich mit Verlangen. Zu lange hatte ich sie schon warten lassen, zu lange schon hatte ich mich mit Piraten und Kovs und anderen Dingen aufgehalten.
»Dray, du willst uns doch nicht – verlassen?« Tilda versuchte vergeblich, die Tränen zurückzuhalten. Ein seltsamer Ausdruck erschien in ihren Augen, der mir neu war. Wenn ich jetzt hierblieb, hatte ich bald den gleichen Ärger mit ihr wie mit Viridia!
Das Piratenmädchen starrte mich wütend an. »Wenn du nach Vallia ziehst, Dray Prescot, was hindert mich daran, dich zu begleiten?«
Ich seufzte. »Es gäbe nur weiteren Kummer für dich in Vallia, Viridia.«
»Ist sie denn so viel schöner als ich, Dray?«
»Oder als ich?« wollte Tilda wissen.
Hierauf gab es keine höfliche Antwort. Doch mein Schweigen war beredt genug. Die Stille zog sich peinlich in die Länge.
Schließlich rettete uns Pando. »Und mich willst du versohlen, Dray?« rief er.
Ich lachte. »O ja, ich vertrimme dich, du Sicce-Wicht, wenn du dich nicht wie ein echter Kov benimmst und für die Menschen in Bormark sorgst! Krieg spielen kann jeder kleine Junge, Frieden und Wohlstand erhalten, ist die Kunst, die dir ansteht.«
Ehe Pando etwas erwidern konnte, füllte sich das Zimmer mit den Piraten, die mir gefolgt waren. Sie drängten herein und schwenkten siegesbewußt ihre Rapiere. »Hai, Jikai!« riefen sie. »Hai, Dray Prescot! Hai! Jikai!«
Nun, sie waren glücklich, wartete doch in Menaham reiche Beute auf sie. Ich hörte mir das wilde Durcheinander ihrer Begeisterungsrufe einen Augenblick lang an. Das herrliche Sonnenlicht Antares' strömte durch große Fenster herein und schimmerte auf dem kostbaren Schmuck des Saales, auf den Waffen, auf den erregten Gesichtern und auf dem Blut. Ich sah durch die Fenster in das grelle Licht hinaus und erblickte den riesigen Raubvogel, dessen rotgoldenes Gefieder in den vermischten Strahlen der Doppelsonne schimmerte.
Und eine seltsame Kälte breitete sich in mir aus.
Auf unsicheren Beinen drängte ich mich durch die Menge und verschwand in einem kleinen Nebenzimmer. Kaum merkte ich, daß Viridia und Tilda mir besorgt folgten, und wenn sie etwas sagten, hörte ich ihre Worte nicht. Wahrscheinlich schlossen sich auch Inch, Valka und Spitz der Gruppe an, und Pando wollte sicher auch nicht allein bleiben.
Mir war schwindlig.
In dem Augenblick – und wie gut ich mich an diesen Augenblick des Entsetzens und der Verzweiflung erinnere! – sah ich in dem leeren Zimmer die dahinhuschende Gestalt eines Skorpions.
Eines Skorpions!
Da wußte ich Bescheid ...
Ich sollte zur Erde zurückgebracht werden, ich sollte aus Kregen verbannt werden ...
Als die verfluchte blaue Strahlung mein Blickfeld einengte und ein Gefühl des Fallens mich erfaßte und meine Glieder, meinen Körper, mein Gehirn einhüllte, schrie ich auf.
»Vergeßt mich nicht, vergeßt mich nicht!«
Und als ich den Herren der Sterne und den Savanti lauthals meine Verachtung bezeigen wollte, weil sie mich so rücksichtslos zur Erde zurückholten, kam kein Laut über meine Lippen.
Die blaue Tönung wurde dunkler.
Sie gewann Ähnlichkeit mit einem riesigen, blauschimmernden Skorpion.
Ich stürzte.
Durch meinen Geist gellten die Worte, die ich nicht über die Lippen brachte: »Delia! Meine Delia aus Delphond! Delia aus den Blauen Bergen! Ich komme zurück! Warte auf mich! Ich komme zurück, Delia!«
Und ich wußte, daß sich dieser Wunsch erfüllen würde.
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* Das Wort ›Kyr‹ ist von Prescot in seiner Erzählung oft benutzt worden, und ich habe es meistens in »Lord« abgeändert. Nun gewinne ich aber den Eindruck, als sei diese Übersetzung unrichtig, als sei die Anrede »Herr« vielleicht besser geeignet. Als Teil eines Buchtitels kann das Wort sicher unübersetzt verwendet werden. Auch haben wir hier vielleicht einen Anhaltspunkt, warum es auf Kregen so viele Naths gibt.
* Ein weiterer
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