Dray Prescot 04-Die Armada von Scorpio
entfernt. Und ich kannte die Antwort bereits – mein untypisches feiges Zögern war nur eine Entschuldigung vor mir selbst, daß ich wieder einmal vor Delia versagte. Ich liebte Delia, und Delia liebte mich – das wußten wir. Ich sagte mir auch, daß Delia nicht an mir zweifeln würde, daß sie nicht freiwillig heiraten würde; und so war es vor allem die Raffinesse, die ich fürchtete, die schlauen Manipulationen ihres mächtigen Vaters. Sie würde verstehen, daß ich Tilda und Pando verpflichtet war, ehe ich mich ihrem Vater stellte. Ich würde wohl grob mit ihm umspringen müssen ... O ja.
Die Liebe zwingt einen sanft dazu, sich seelisch umzustellen. Wenn man selbstlos nur auf eine Frau fixiert ist und dabei das Leben und die Hoffnungen anderer vernichtet, nur um dieser Liebe zu dienen, kann man nicht wirklich lieben. Die Liebe verlangt Opfer, sie erleichtert das Geben. Und sie bedeutet, daß auch das Nehmen ein Teil der Liebe ist.
Ich trat auf das Achterdeck, die Männer musterten mich schweigend. Alle Blicke waren auf mich gerichtet, als meine Hand den Rapiergriff umfaßte, und ich wußte, daß mein Gesicht wieder seinen altbekannten teuflischen Ausdruck angenommen hatte.
»Reiche Beute wartet auf uns an Bord der menahamischen Armada! Große Schätze werden uns gehören! Darauf vernichten wir das Verfluchte Menaham und nehmen uns Reichtümer, die uns den Rest unseres Lebens vergolden!«
Ich wandte mich an Valka, der nun die Stelle des Ersten Leutnants innehatte, während Spitz als Varter-Hikdar fungierte. »Gib das Signal: Anker auf! Wir segeln sofort los!«
Eine Sekunde lang herrschte absolute Stille.
Hatte ich es nicht geschafft? Würden mir die Männer nicht gehorchen? Im nächsten Augenblick warf Inch seinen Hut in die Luft. »Gegen das Verfluchte Menaham!« brüllte er. »Wir zerfetzen die Kerle in der Luft! Hai! Jikai! Hai, Dray Prescot!«
Danach ging es nur noch darum, den Anker zu lichten und unsere Ruderer an die Arbeit zu schicken. Eins hinter dem anderen folgten uns die übrigen Schwertschiffe, die meine Führung anerkannten und keine anderen Pläne hatten. Als wir Geschwindigkeit aufnahmen, kam ein Langboot längsseits. Mit einem Seil wurde eine Truhe an Bord gehievt, gefolgt von Viridia. Sie sprang auf das Deck, schüttelte sich das Haar aus dem Gesicht und rief: »Bei Opaz, Dray Prescot! So leicht wirst du mich nicht los!«
Ich deutete mit einer Kopfbewegung auf die düsteren Wolken, die sich am Horizont zusammenballten und auftürmten, und sagte so leise, daß nur sie mich hören konnte: »Es könnte sein, daß du hier deine letzte Reise antrittst, Viridia!«
Sie lachte laut.
»Und wenn schon – dann möchte ich mit keinem anderen Mann als dir zu den Eisgletschern Sicces eingehen!«
Die schwarzen Wolken türmten sich immer höher, und das Licht der Sonnen verdüsterte sich. Der Wind frischte auf, und bald ging die See ungewöhnlich hoch. Wir zurrten alles fest und setzten Sturmsegel. Jetzt mußten die Schwertschiffe beweisen, ob sie seetüchtig waren.
Mancher Piratenkapitän drehte bei – aus Feigheit oder Vorsicht oder Notwendigkeit –, doch die Freiheit steuerte geradewegs über die gewaltige Panderk-Bay, und ein großer Teil der Piratenarmee folgte ihr auf diesem schweren Wege.
Wenn wir es nicht schafften, war Pomdermam verloren – und mit der Stadt das Land, und mit dem Land auch Bormark, Tilda und Pando.
Ich hatte mich auf dem Achterdeck festgezurrt. Der Wind fuhr mir durchs Haar, brannte mir in den Augen, durchnäßte mich. Wir schlugen alle Waffen zurück, die der Ozean gegen uns aufbrachte, und am zweiten Tag ließen wir den Sturm hinter uns zurück, tüchtig durchgeschüttelt, aber in gutem Zustand, und glitten mit abflauendem Wind auf einem sich beruhigenden Meer dahin.
Und dann der Ruf: »Segel ahoi!«
Am Horizont erschien das herrliche Panorama der Armada aus Menaham. Die Schiffe waren ziemlich weit verstreut; sie hatten Ausläufer des Sturms mitbekommen. Signale gingen von Schwertschiff zu Schwertschiff, und meine Flotte hielt sich zurück und ritt in aller Ruhe die letzten großen Dünungswellen aus, während die Schäden repariert wurden und die erschöpften Mannschaften sich erholten.
Viele Binnenländer glauben naiv, daß sich Schiffe wie Soldaten drillen und führen ließen, und obwohl die Marine mit ihrem Signalsystem große Fortschritte gebracht hatte, konnte man selbst im Zeitalter der Segelschiffe nicht erwarten, daß sich die Einheiten zu sauberen
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