Dray Prescot 06-Die Menschenjäger von Antares
Augen zu vertreiben. Und dann ertönte eines Tages wieder das laute Hornsignal, und die Sklaven eilten an das Lenkholzgitter. Ich blickte Tulema an, und sie wich erschrocken zurück, aber sie war nun so kräftig und wohlgenährt, wie es an diesem schrecklichen Ort nur möglich war – und ich konnte nicht mehr warten.
Draußen auf der Lichtung stand Nalgre mit seiner Peitsche und unterhielt sich angeregt mit einigen Gästen. Ich erkannte einen der Männer; es war der dicke Notor mit dem aufgedunsenen Gesicht, der bei Lilahs Flucht die Jagd geführt hatte. Nalgre unterhielt sich mit ihm.
»Wirklich seltsam, Notor Trelth!«
»Und du hast keine Erklärung dafür, Nalgre! Wir mußten weit reiten, sehr weit, und in Schluchten und auf Hängen herumklettern. Ich hatte mir eher vorgestellt, daß wir unser Wild auf der Ebene erlegen.«
»Warum versuchst du es diesmal nicht im Dschungel, Notor Trelth?« fragte Nalgre beflissen und unterwürfig.
»Ich will darüber nachdenken«, erwiderte der hochherrschaftliche Notor Trelth.
»Der Führer ist hier«, flüsterte Tulema.
»Gut.« Ich drehte mich nach dem schlanken jungen Mann mit dem dunklen Haar um, der sein Leben für uns wagen wollte. Ich sah ihn in einer Gruppe von Sklaven stehen und drängte mich mit Tulema nach vorn. Ob er uns nun mitnahm oder nicht – er sollte die schlimme Wahrheit erfahren.
10
Natürlich glaubte er mir nicht, sondern lachte nur. Er hieß Inachos und war so jung und athletisch wie die anderen Führer. Auch sprang er etwas ungeduldig mit mir um.
Wir hatten keine Zeit gehabt, in den Höhlen mit ihm zu sprechen, denn die Auswahl der Jagdopfer war ziemlich schnell vor sich gegangen, und in dem entstehenden Durcheinander waren Tulema und ich mit den übrigen ins Freie gestoßen worden. Diesmal waren wir achtzehn, eine ziemlich große Gruppe, und erst als wir uns in der Sklavenbaracke zur Ruhe gelegt hatten, ergab sich die Gelegenheit, unter vier Augen mit Inachos zu sprechen.
»Du redest Unsinn. Kein Führer würde sich so übertölpeln lassen.«
»Das hatte ich auch angenommen. Aber es ist passiert – dreimal – das weiß ich bestimmt.«
»Und du hast niemandem davon erzählt?«
»Es wäre unklug, die Sklaven nervös zu machen. Ihr Schicksal liegt in den Händen der Führer. Du mußt in euren Dörfern Bescheid geben und deine Leute warnen.«
Er musterte mich mit prüfendem Blick. »Ich glaube dir nicht. Aber eine Warnung nehme ich gern an.«
»Ich werde die ganze Nacht wachen«, versprach ich.
»Wenn du möchtest.«
Ein allzu stolzer, allzu selbstbewußter Jüngling, sagte ich mir, ein Mann, der sich nicht vorstellen kann, daß sich im rosa Mondlicht ein Mörder verstohlen an ihn heranschleicht.
Inachos spielte am nächsten Morgen seine Rolle als unterwürfiger Sklave, als wir das üble Vorspiel zur Jagd durchmachten. Mit Tulema, die ich an der Hand hielt, wich ich Inachos nicht mehr von der Seite. Wenn er mich schon nicht ernst nahm, wollte ich wenigstens heute nacht gut auf ihn aufpassen.
Nalgre kam in unsere Nähe, und Inachos erstarrte, aber der Sklavenmeister versetzte mir einen leichten Peitschenschlag – den ich gelassen hinnahm. Dann wandte er sich um, als Notor Trelth ihm etwas zurief. Inachos entspannte sich. Er schien irgendwie enttäuscht zu sein. Er tat mir leid.
Kurz darauf marschierten wir los. Inachos sagte, wir würden nach Norden durch den Dschungel wandern und zur Küste vorstoßen, wo wir uns Hoffnung machen könnten, von Fischern von der Äußeren Faol-Insel gerettet zu werden. Ich erinnerte mich an eine Bemerkung, daß der Dschungel im Norden wenig Fluchtmöglichkeiten biete, doch Inachos kannte sein Geschäft, und Boote und Fischer – das klang doch sehr gut, besser als ein langer Marsch über eine Ebene, die wenig Schutz bot.
Als wir auf dem Dschungelpfad etwa einen halben Dwabur zurückgelegt hatten, ließ Inachos halten und führte uns zu seinem Versteck mit Kleidung, Nahrung und Messern. Ich schnitt eine Grimasse, zog die Schuhe an und nahm das billige Messer zur Hand. Von meinen bisherigen Ausflügen wußte ich, daß die Jäger uns nicht vor dem nächsten Tag verfolgen würden. Als Ruheplatz wählte Inachos einen Baum an einem kleinen sumpfigen Fluß, und wir schlugen unser Lager auf. Er reichte uns den Wein, und meine Leidensgenossen leerten gierig die Lederflaschen. Tulema war erschöpft. Sie hatte sich mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt und leckte sich den letzten Palinesaft von den
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