Dray Prescot 06-Die Menschenjäger von Antares
offenbar war vom Festland neuer Nachschub gekommen. Um ganz sicher zu gehen, fragte ich Tulema: »Sind noch Sklaven hier, die in der Höhle waren, als ...?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, Dray – alle sind fort.«
»Bis auf dich.«
»Bis auf mich, jawohl. Und bis auf dich.«
»Oh. Ich.« Als das Horn erklang, drängte ich mich zwischen den Neuankömmlingen hindurch und nahm zwei Riesenstücke vom Besten. Ich wollte, daß Tulema bei Kräften war; sie hatte in letzter Zeit nur Dilse gegessen.
Nach dem Essen begann die alte Miglishfrau mit Saubermachen, und Tulema drückte sich schaudernd an mich. Ich dachte an den schlimmen Verdacht, der mir gekommen war, als ich das Blut neben der Decke Ankos gesehen hatte ... und nun gingen wir wieder in den Dschungel.
Ich packte die Migla an der Schulter und spürte ihre dürren Knochen. Sie versuchte sich mir zu entwinden, und ihr schreckliches Hexengesicht starrte mich lauernd an, wie eine Gummimaske, die im Feuer zerschmolzen ist. Es widerte mich an, dieses halbmenschliche Ungeheuer.
»Verrätst du die Führer, Migla?«
Sie lachte schrill und versuchte mich mit ihrem Besen zu schlagen.
»Ich verrate nichts! Bei Migshaanu der Allherrlichen, deine Augen sollen ausfließen, dein Leib soll einfallen ...«
»Genug, alte Frau!« sagte ich. »Denk daran: Wenn hier die Führer verraten werden, wirst du ausgepeitscht, und deine Haut wird aufgehängt und zur Schau gestellt.«
Natürlich konnte ich ihr nichts beweisen. Vielleicht hatte sie auch gar nichts mit der Tragödie zu tun, aber auch das Gegenteil konnte der Fall sein.
Als ich das letzte Mal draußen gewesen war, um Latimer zu retten, hatte ich den größten Teil der Nacht wachgelegen – trotzdem war der Führer verschwunden. Ich hatte nicht mitbekommen, wie das geschehen war. Wie üblich hatte sich der Wächter ein wenig abseits von uns niedergelegt, um auf der Hut zu sein. Diesmal, das schwor ich, wollte ich ihm den Schutz gewähren, den er uns zu geben versuchte.
Der Grund für den grausamen Verrat schien mir klar zu sein. Sklavenmeister Nalgre mußte längst bemerkt haben, wie begierig die Sklaven waren, auf die Jagd geschickt zu werden. Das gefiel natürlich Nalgre und seinem Herrn, dem Kov von Faol. Es lag ihnen sicher daran, diesen angenehmen Zustand aufrechtzuerhalten und die Führer bei ihren gefährlichen Unternehmungen zu unterstützen. Zornig fragte ich mich, was man in den Dörfern der Führer vom Verschwinden ihrer jungen Leute hielt. Wahrlich, das Verhalten mancher Menschen ist geheimnisvoll und barbarisch und entzieht sich der Beschreibung!
Die alte Migla, wenn sie wirklich schuldig war, brauchte gar keinen neuen Verrat zu begehen. Wenn Nalgre von der Verschwörung der Führer wußte, konnte er ohne fremde Hilfe weitermachen und sie nacheinander ausschalten. Bei all den neuen Sklaven in den Käfigen fiel es mir schwer, einen Führer zu finden. Die meisten Sklaven kämpften energisch um gute Schlafstellen und um das Essen, sie beschützten ihre Mädchen und kämpften sich nach vorn, wenn Jagdgesellschaften zum Auswählen kamen. Tulema mußte aber erst wieder zu Kräften kommen, ehe ich es riskieren konnte, sie mit auf die Jagd zu nehmen. Solange der Vorrat an Sklaven groß genug war, mochte es Nalgre gleichgültig sein, wie wir uns den Blicken der Jagdgäste entzogen; solange für die Kunden genug willige Sklaven da waren, machte er sich keine Gedanken über die wenigen Sklaven, die nie an die Reihe kamen.
Aber auch hierfür gab es eine Lösung, wenn es nicht mehr anders ging. Eines Morgens wurde ein sehr alter Sklave ins Freie gezerrt, an einen Holzpfahl gebunden und vor aller Augen zu Tode gepeitscht. Tulema verfolgte die Szene mit starrem Blick; sie schien daran zu denken, daß ihr eines Tages das gleiche Schicksal blühen mochte.
Ja, das passierte mit den Sklaven, die zu alt oder zu feige für die Jagd waren. Es sei denn, sie wurden als Haussklaven zum Saubermachen und Kochen eingesetzt wie die alte Miglish und ihre Freunde.
»Dir wird es ebenso ergehen, Tulema, wenn du weiter nur Dilse ißt.«
»Die Peitsche ist vielleicht besser als die Menschenjagd.«
Ich schüttelte den Kopf. »Du kommst mit, sobald du wieder bei Kräften bist. Allerdings gibt es nur noch wenige Führer.«
»Sie wissen, wann Kunden kommen. Wer kann es ihnen verübeln, wenn sie möglichst wenig Zeit bei den Sklaven verbringen wollen?«
Tulema hatte also etwas Zeit, zuzunehmen und den halbverhungerten Ausdruck aus ihren
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