Dread Empire's Fall 02 - Sternendämmerung
einen Leutnant gedacht, war Martinez’ Schlafraum doppelt so groß wie die Kapitänskajüte auf der Corona . Die Wandbilder stellten einen Kontrast zu den Trompe-l’œils dar, die er anderswo bewundert hatte. Vor einem üppigen tropischen Hintergrund, überwiegend in Grün und Türkis, waren verschiedene Objekte dargestellt – Menschen, Möbelstücke, Fahrzeuge -, die offenbar absichtlich zweidimensional gemalt waren, als hätte der Künstler Fotos als Vorlage benutzt. Es war ein amüsantes Motiv, das zu betrachten Martinez vermutlich nicht müde werden würde. Ganz anders der Schmuck in seinem Büro. Dort herrschten pummelige nackte Kinder vor, allesamt Jungen und aus unerfindlichen Gründen mit Flügeln versehen, die sich mit uralten und viel zu großen Schwertern, Helmen und Rüstungen abmühten. Es war nicht zu erkennen, ob die Kinder sich gegenseitig massakrieren wollten oder etwas anderes vorhatten. Was auch immer der Sinn war, Martinez konnte die süßen Gesichter und die pummeligen Hinterteile nicht leiden.
Bei näherer Betrachtung stellte er fest, dass die Kunstwerke in seiner Kabine nicht aufgemalt waren. Vielmehr stammten sie aus einem Grafikprogramm, waren auf langen Bahnen ausgedruckt und wie Tapeten angeklebt worden.
Als Heilmittel gegen den Kitsch in seinem Büro kopierte er ein Foto von Terza ins Display seines Schreibtischs. Auf dem Bild saß sie in einem hochgeschlossenen langen weißen Kleid vor einem riesigen Blumengebinde, das sie selbst arrangiert hatte. Das Bild würde ständig auf der Schreibtischfläche sichtbar bleiben und langsam hin und her wandern, um ihn an die Ehe zu erinnern, die er immer noch nicht ganz begriffen hatte.
Michi Chen hatte zwar angedeutet, er müsse sich vielleicht ausruhen, doch in Wirklichkeit hatte er auf der Überfahrt an Bord der Daffodil reichlich Muße gefunden und war nicht sonderlich müde. Er bestellte bei Perry eine Tasse Kaffee, setzte sich an den Schreibtisch und überlegte, warum ihm die Begegnung mit Chandra Prasad so unangenehm gewesen war.
Wie Martinez stammte auch Chandra aus der Provinz und gehörte auf ihrer Heimatwelt einer sogar noch weniger vornehmen Familie an. Sie hatte sich bei der Flotte beworben, um aus ihrer Heimat zu fliehen. Ruhelosigkeit schien tatsächlich ihr hervorstechendstes Charaktermerkmal zu sein. Sie und Martinez hatten sich in den zwei Monaten vereinigt, sich gestritten, sich ausgesöhnt und wieder von vorne begonnen. Chandra war ihm demonstrativ untreu gewesen, und er hatte es für seine Ehrensache gehalten, es ihr auf gleiche Weise heimzuzahlen. Nach zwei Monaten hatte er das Gefühl gehabt, zehn Runden mit einem Preisboxer hinter sich zu haben, und war mehr als dankbar gewesen, dass die Affäre ein Ende fand.
Er hatte nicht die Absicht, sich noch einmal mit Chandra einzulassen. Das Funkeln in ihren Augen war ihm Warnung genug gewesen, sich zurückzuhalten.
Ein weiteres Mal wünschte er, er hätte mehr Zeit gehabt, sich auf das Leben als Ehemann vorzubereiten. Sein übliches Verhalten zielte vor allem darauf, bei allen passenden Frauen in der Umgebung einen vorteilhaften Eindruck zu hinterlassen und seine Verfügbarkeit zu signalisieren. Sexuelle Mäßigung war keine Tugend, die zu schulen er jemals für nötig gehalten hätte. Er musste aufpassen und durfte nicht wie bisher bei jeder Gelegenheit reflexartig einen Flirt beginnen.
An diesem Punkt fiel ihm ein, dass Mails auf ihn warteten. Mit einer gewissen Erleichterung konnte er sich nun mit anderen Dingen beschäftigen und schob den Kapitänsschlüssel in den Schreibtisch, um seine Post abzurufen. Es waren mehrere Nachrichten von Terza dabei, die letzte war vier Tage alt. Er begann zu lesen.
Die meisten Mitteilungen waren kurz. Das Leben auf der Ensenada , die nach Laredo eilte, war problemlos, aber sicherlich kein gesellschaftliches Glanzlicht. Roland schlug Walpurga und Terza ständig beim Hypertourney. Die Stunden, die sie Tag für Tag bei zwei Grav verbringen musste, bereiteten ihr kein Unbehagen. Terza las viel und hatte reichlich Zeit, Harfe zu spielen.
Martinez wurde es warm ums Herz, als er den kleinen schönen Moment miterleben konnte, bevor sie den Blick zur Kamera hob und zu sprechen begann. Terza schien ein wenig zu zögern. Sie hatten noch nicht genug Zeit miteinander verbracht, um völlig unbefangen miteinander umzugehen, und es wurde nicht leichter, wenn sie sich über mehrere Lichttage hinweg indirekt verständigen mussten. Martinez fragte sich, ob
Weitere Kostenlose Bücher