Dreck: Roman (German Edition)
zehn Meter weiter legte er das Gestell auf die Erde. Er kniete sich hin und häufte große Erdklumpen wie gesegnete Walnüsse aufs Gestell. Dunkle, krustige Gebilde, bereits trockener als die Sonne, so wurde das Gestell sinnvoll genutzt.
Die Handtücher ließen sich nur mit Mühe halten, also ließ er sie fallen. Nackte Beine und Unterhose, ein grünes Sweatshirt und grüne Stiefel. Auf dem Rückweg zum Schuppen lief er mit gesenktem Blick an ihr vorbei. Ich habe dir nichts getan, zischte er.
Wie ein Lanzenturnier, dachte er. Einander zugeneigt, kurzer Kontakt. Er trat in die Dunkelheit, nahm ein Gestell und legte es auf den Boden, nahm noch eins und legte es darauf, dann ein weiteres. Sie waren schwer, aus Holz, und er wusste nicht, ob er drei tragen konnte, aber er hob sie hoch, sein Rücken gab erst ein wenig nach, dann fing er sich, stolperte hinaus, die Wange am Holz, und wankte zum Sammelplatz.
Seine Mutter war damit beschäftigt, die Dreckklumpen aus dem Gestell zu klauben. Die sind noch nicht trocken, sagte er. Aber sie reagierte nicht. Sie kniete dort in ihrer Arbeitshose und einem alten Arbeitshemd ihres Vaters, mit Sonnenhut und Handschuhen, und entfernte den Dreck.
Er setzte die drei Gestelle ab und ging Nachschub holen. Nahm noch mal drei und trug sie in die Sonne. Dann kam ihm eine Idee.
Er fügte alle sechs Gestelle nebeneinander zu einer langen Reihe und legte sich darauf, vorsichtig, um den Maschendraht nicht zu durchstoßen. Er achtete darauf, dass Po, Kopf und Fesseln von den Holzkanten getragen wurden. Eine weitere Kante schnitt ihm in den Rücken.
Warum tust du mir das an?, fragte seine Mutter. Ihre Stimme leise wie ein Flüstern.
Grüne Walnuss muss trocknen, sagte er. Auf den Trockengestellen. Er versuchte, direkt in die Mittagssonne zu blicken. Er dampfte in seinem Pullover, und seine nackten Beine und das Gesicht würden verbrennen. Er wollte für den Rest des Tages hier draußen bleiben. Die Holzkanten so hart unter dem Rücken und Nacken, dass er nicht wusste, wie er die nächsten fünf Minuten überstehen sollte, aber er war fest entschlossen. Es war eine Meditation, und wer wusste schon, was ihn auf der anderen Seite erwartete.
Die Opfer, die ich seit über zwanzig Jahren für dich bringe, sagte seine Mutter leise. Steh auf, bevor Helen und Jennifer dich so sehen.
Galen hörte Tante und Cousine beim Schuppen reden und auf ihn zukommen. Was macht es, wenn sie mich sehen?, fragte er. Reine Neugier. Sollen sie mich doch sehen.
Steh einfach auf.
Nein, sagte er. Ich bleib den ganzen Tag so liegen.
Die Sonne so hell, dass Galen seine Mutter nicht sehen konnte, nicht einschätzen konnte, was als Nächstes passieren würde. Aber sie ging einfach weg.
Er versuchte, dem harten Holz nachzugeben, wollte Fleisch und Knochen ermöglichen, sich dem Holz anzuschmiegen. Die Kanten, die ihm in den Po schnitten, machten seine Beine taub, und die Kante unterm Rücken erschwerte ihm das Atmen, aber am schärfsten war die im Nacken. Er versuchte auszuatmen, die Sonne anzustarren, seine Existenz zu vergessen, etwas anderes zu finden.
Du siehst jetzt schon aus wie Dörrfleisch, sagte seine Tante.
Seine Schenkel sind weiß, sagte Jennifer.
Stimmt, sagte seine Tante. Vermutlich sollen sie zum Gesicht und zum Hals passen.
Galen blind und benommen, die Augen voller Blitze und Punkte, aber er hörte die Arbeit auf allen Seiten, ein nutzloses Unterfangen. Die Gestelle mussten weder gesäubert noch geölt noch sonst wie instandgesetzt werden, es sei denn, ein Gittersieb war kaputt. Nur wusste keiner von ihnen, wie man ein Sieb repariert. War eins kaputt, sortierten sie das Gestell einfach aus, auf den Haufen gleich hinter dem Traktor, und benutzten es nichtweiter. Heute trugen sie also alle Gestelle aus dem Schuppen heraus, um sie danach wieder zu verstauen.
Wir spulen alles so ab, sagte Galen. Mechanisch.
Wie bitte?, fragte seine Tante.
Unser ganzes Leben, sagte Galen. Alles nur die Imitation einer Vergangenheit, die es eigentlich nie gegeben hat.
Die hat es sehr wohl gegeben, sagte seine Mutter. Du warst bloß nicht dabei. Du glaubst, was nichts mit dir zu tun hat, existiert nicht.
Und mein Vater?, fragte Galen. Kannst du beweisen, dass er existiert? Kannst du es wenigstens auf zwei, drei Männer eingrenzen?
Keine Antwort. Nie gab es darauf eine Antwort. Nur Schritte, ihre Schuhe auf dem Boden, das Hochheben und Zurücktragen von Gestellen.
Ich habe noch mehr Fragen, sagte Galen. Ich bin noch
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