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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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ein hoher Wasserhahn, den drehte er bis zum Anschlag auf, und Wasser schoss heraus, etwas dunkel zunächst, dann klar. Fing eine Handvoll auf, eiskalt, und trank. Schön, sagte er. Dann drehte er den Hahn zu.
    Seine Mutter schloss die Außentür auf, seine Großmutter gab Anweisungen. Die Mafia stand mit verschränkten Armen auf der Terrasse und sah zu. Einen Moment lang taten sie Galen beinahe leid, immer am Spielfeldrand. Aber so war es nun mal, und so würde es bleiben. Galen und seine Mutter kamen zuerst und danach sie, basta.
    Galen nahm seinen Seesack aus dem Kofferraum. Die Hütte war jetzt offen, und seine Mutter löste die Läden von den Fenstern, seine Großmutter war schon hineingegangen. Er folgte ihr in die Dunkelheit.
    Ein muffiger Geruch, eingeschlossen den Winter über. Rauch vor allen Dingen, vom gusseisernen Ofen in der Küche. Aber auch andere Gerüche, altes Holz und Decken, Zeitungen und Anmachholz, Mottenkugeln. Er liebte diesen Ort, mehr als alle anderen.
    Seine Großmutter ging immer zuerst in die Küche. Galen folgte ihr, gerade rechtzeitig, um das Licht einfallen zu sehen, als seine Mutter von außen die Fensterläden öffnete. Seine Großmutter mit den Händen auf dem Ofen, den Blick gesenkt, in Erinnerung? Er sah zu, wie sie im fahlen Licht entstand, erstmals geschaffen.
    Ihr Gesicht unerwartet alt, Furchen, die sich in Bogen die Wangen hinabzogen. Ihr Blick verschleiert. Sie stand über den Ofen gebeugt, als würde sie darüber zusammenbrechen, richtete sich dann aber auf und fuhr mit den Händen über die runden Eisenplatten. Sie wandte das Gesicht ab.
    Galen kam sich vor wie ein Eindringling, also ging er gebückt die enge Stiege hinauf, den Seesack im Schlepptau. Erneut Dunkelheit, und er streckte den Arm aus, um sich zu dem einen schmalen Bett vorzutasten und dann zu dem anderen, trat in den kleinen Gang dazwischen und hievte seinen Seesack auf das linke Bett. Dann legteer sich hin, auf die knotige alte Matratze. Hier konnte er denken. Jeden Sommer lag er hier stundenlang, sein ganzes Leben lang, und träumte von dem, was werden mochte. Hier konnte alles abgewogen werden, und hier konnte er als der erkannt werden, der er war. Nur hier.
    Der Nachteil war natürlich, dass er dieses Zimmer mit seiner Mutter teilen musste. Galen hörte, wie Mutter und Tante unten über die Schlafplätze stritten, also tastete er in seinem Seesack nach Kassettenrekorder und Kopfhörer und lauschte Kitaros Silk Road .
    Sein Atem wurde spürbar ruhiger, und der Stress verließ den Körper. So viel Stress, stets mehr, als ihm bewusst war, bis er an Kitaros Küste gespült wurde. Hier konnte er die Arme ausbreiten, und er konnte fliegen.
    Aber dann ging das Licht an. Seine Mutter, die alles kaputt machte.
    Ich höre Kitaro, zischte er.
    Ich kann mich nicht mit allen streiten, sagte sie. Dazu fehlt mir die Kraft.
    Galen streckte sich zur Lampe und löschte das Licht, doch sie machte es wieder an. Aus einem kleinen Koffer auf dem Boden räumte sie ihre Kleidung in die Schubladen der schmalen Kommode zwischen ihren Betten. Wir machen jetzt unser Picknick, sagte sie. Oben auf dem großen Felsen.
    Ich habe keinen Hunger.
    Dann siehst du uns eben beim Essen zu.
    Galen spulte zurück, den quietschenden alten Rekorder. Er brauchte einen Walkman. Aber natürlich war für einen Walkman kein Geld da. Er drückte auf Play undwar zurück auf der Seidenstraße, mit geschlossenen Augen.
    Galen entspannte sich, wartete darauf, dass das Licht gelöscht wurde und seine Mutter verschwand. Hier in der Hütte auf dieser alten Matratze im Dunkeln hatte er das Gefühl, für etwas bestimmt zu sein. Womöglich nahm sein Leben eine Gestalt an, die auch Größe verhieß, wenngleich es zu früh war, um Genaueres zu wissen. Er spürte den Überschwang seines Geistes, spürte, wie er seiner Brust entströmte und den ganzen Raum einnahm. Doch er konnte sich nicht richtig konzentrieren, weil sie jetzt alle zum großen Felsen gingen, und das machte ihn nervös. Er sollte einfach nicht mitgehen, aber nicht mitzugehen war irgendwie nicht möglich. Seine Mutter eine ständige Störung, ein Riss in der Textur von Raum und Zeit. In ihrer Nähe konnte es keinen Frieden geben.
    Galen schlug auf die Stopp-Taste und setzte den Kopfhörer ab. Dann die steilen Stufen hinunter.
    Der große Schmortopf auf dem Herd, darauf freute sich Galen, auf das Hühnchen. Das würde er essen, seine alljährliche Pause vom Vegetarierdasein.
    Er stand am Ofen wie zuvor

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