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Dreck: Roman (German Edition)

Dreck: Roman (German Edition)

Titel: Dreck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Vann
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seine Großmutter, legte die Hände dorthin, wo ihre gelegen hatten, und fragte sich, woran sie gedacht oder sich erinnert hatte. Ihren eigenen Seelenraum, in dem die verschiedenen Zeiten zusammenfanden. Ihre Kinder klein, ihr Mann noch am Leben, ihr Geist noch intakt. Erinnerte sie sich daran? Erinnert sich ein gebrochener Geist an die Zeit, da er heil war?
    Galen wandte sich ab wie zuvor seine Großmutter und fuhr mit den Händen über die gusseisernen runden Platten, die man hochheben konnte, um in den Kohlen zu stochern. Schwarz mit verchromten Rändern. Der Chrom stumpf, aber noch immer schön, Kringel und Blattmuster als Verzierung. Eine hohe Rückwand um ein schwarzes Ofenrohr. Wuchtig und robust. So präsent in diesem kleinen Raum und in ihren Leben. Durch uns manifestiert, sagte Galen mit tiefer Stimme. In diese Inkarnation gebracht als Wegweiser, als Sammelstätte. Ich ehre dich, alter Ofen. Er machte die Augen zu, zog leicht den Kopf ein, verbeugte sich und atmete langsam aus.
    Der große Felsen eine weitere Sammelstätte. Er wollte seine Familie nicht sehen, aber den Felsen wollte er wiedersehen, also ging er zur Hintertür hinaus, über die Terrasse und über Piniennadeln, dann den Pfad hinauf zur Wiese. Nur ein paar Büschel Gras, hellgrüne Triebe auf einer offenen Lichtung, sonnig. Eine Abwechslung vom Schatten der Bäume. Und auf halbem Weg zur Wiese, links im Gelände, ein großer Felsbrocken, höher als ein Mensch, sehr breit und fest im Boden. Eine Art klumpiger Pfannkuchen aus Granitschichten. Moosig am unteren schattigen Teil, in den Nischen und an den Überhängen. Ein paar kleine Farne. Oben mit gelben Flechtenblüten gesprenkelt. Alte Felshaut. Jennifer kauerte auf dem Platz, auf dem er gern saß. Sie wusste, dass es sein Platz war.
    Tante, Mutter und Großmutter saßen auf dem Boden, an den Felsen gelehnt. Mutter und Großmutter auf dereinen Seite des Picknickkorbs, die Tante auf der anderen. Auf dem rotkarierten Tuch Sandwiches, gefüllte Eier, Gewürzgurken, Chips.
    Mein hübscher Enkel.
    Galen versuchte zu lächeln, aber sein Gesicht parierte nicht.
    Iss ein gefülltes Ei, sagte sie, als hätte sie es zubereitet.
    Danke Großmutter, sagte er, nahm ein Ei, kletterte auf den Felsen und setzte sich neben Jennifer. Sie hatte sich den einzigen weichen Sattel hier oben geschnappt, den Natursessel. Starrte ins Leere und aß Chips.
    Galen schloss die Augen und suchte Ruhe, aber er konnte alle kauen hören. Seine Mutter, wie sie in eine Gewürzgurke biss, unfassbar laut, seine Tante, wie sie Orangenlimonade trank, seine Großmutter, wie sie mit kleinen Schmatzern ihr Sandwich mahlte. Jennifer mit ihren Chips, die klangen, als würden Bäume bersten. Er hasste menschliches Kauen und Schlucken. Er versuchte, sich auf die Bienen zu konzentrieren, die in den Wildblumen kreiselten, auf das Plätschern des nahen Baches, die Brise in den Baumwipfeln hügelan, sogar auf die Autos auf dem Highway, ihre Geräusche vom Wald gedämpft. Aber richtig hören konnte er nur die feuchten Laute von Zungen und Gaumen und Kehlen.
    Ihr müsstet euch mal hören, sagte er. Dieses ganze Gekaue und Geschlucke.
    Keiner hielt auch nur inne. Wir essen, sagte seine Mutter schließlich.
    Jennifer biss von ihrem Sandwich ab und mahlte undschmatzte so laut, wie sie konnte. Lächelnd beobachtete sie ihn. Sie machte den Mund auf, um ihm das eingespeichelte Mus zu zeigen.
    Galen blickte auf sein gefülltes Ei. Das Weiße eine Art Schale für eine hellgelbe, mit Paprika gesprenkelte Pampe. Er schnupperte daran, und ihm drehte sich der Magen um. Es roch nach Stall, und er musste all diesen Tieren um sich herum lauschen.
    Tiere, sagte er. Ihr klingt wie Tiere.
    Galen, sagte seine Großmutter.
    Entschuldigung. Galen kletterte hinunter und ging in die Mitte der Lichtung. Mit einem Stock grub er ein kleines Loch, dann setzte er das gefüllte Ei hinein und bedeckte es mit Erde. Wachse, sagte er. Und trage gefüllte Eier.
    Er streckte die Arme aus und versuchte, die weite Wiese zu spüren und die kühle Luft, sein vertrautes Terrain. Er jaulte kurz auf, um zu hören, ob es ein Echo gab, aber nichts kam zurück. Ihr Kauen hörte er immer noch, selbst aus zehn Metern Entfernung.
    Ich gehe zum Bach, sagte er. Er stapfte durch die kleinen Bäume seitlich der Hütte hinunter, nahm seinen Speer vom Baum neben dem Wasserhahn und stand kurz darauf an dem Ufer, an dem er jedes Jahr stand. Schmale Schatten huschten unter Felsen und Überhänge. Die

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