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Drecksau

Drecksau

Titel: Drecksau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irvine Welsh
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oder das bewaldete Tal verlassen zu haben, aber an dem Geräusch einzelner vorbeifahrender Autos und den Lichtern merken wir, daß wir irgendwie wieder auf die Hauptstraße gelangt sind.
    Dann die Napier University und der Anbruch der Dämmerung und das Zwitschern der Vögel rauf zu den Parks am Gilmore Place, und dann sind wir am King's Théâtre.
    Stacey und Carole und Staceys kleine Freundin Celeste mit uns in der Weihnachtsauffiihrung, um Mother Goose mit Stanley Baxter und Angus Lennie aus Crossroads zu sehen.
    Wir haben sie gesehen.
    Oh nein haben wir nicht.
    Oh doch haben wir wohl.
    Es ist hell und uns ist kalt; unsere Zähne schlagen aufeinander. Ein Pennbruder rotzt uns eine Beleidigung hin, es könnte auch eine Bitte um Geld sein. Wir schauen in unsere Taschen, und es findet sich eine Zwanzig-Pfund-Note und ein bißchen Kleingeld.
    Wir nehmen die Zwanzig-Pund-Note heraus und reichen sie dem Penner, der den Schmerz in unseren Augen sieht, und seine eigenen Augen richten sich in dankbarer, dann ängstlicher Nüchternheit auf uns, als er den Geldschein nimmt und etwas mur-

    Wir wandern in die entgegengesetzte Richtung, den Weg zurück, den wir gekommen sind. In einem Schaufenster sehen wir unsere dicken, schwarzen Bartstoppeln. Wir hätten uns rasieren sollen.
    Was bleibt uns übrig, als nach Haus zu gehen.
    Heim.

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Daheim in der Finsternis
    Fotografien habe ich nicht. Nur Erinnerungen. Ich erinnere mich noch lebhaft, wie ich ihn besuchen ging.
    Meinen eigenen Vater. Den, der mich nie mißhandelte, nie zwang, Kohlen zu essen, mich nie die Ausgeburt der Hölle nannte. Und doch haßte ich keinen mehr als ihn.
    Ich hatte mich durch meine Arbeit an Orte wie diesen gewöhnt. Ich hatte angefangen, keine Notiz von ihnen zu nehmen. Aber dieser Ort war anders. Von ihm mußte man einfach Notiz nehmen, seine übermächtige, erdrückende Trostlosigkeit spüren, wenn man sich ihm näherte. Dieser riesige Außenzaun, der die gesamte häßliche Einöde von Drecksnestern, Trabantenstädten, Industriegebieten, Fabriken und alten Zechen zu umspannen schien, die sich zwischen Edinburgh und Glasgow erstreckte.
    Und drinnen dieser Geruch. Das Desinfektionsmittel. Ein unverkennbarer Geruch. Ähnlich wie in Krankenhäusern, nur abgestandener und stechender.
    Ich zitterte, als Josh Hartley, der Schließer, mir die Zellentür öffnete. Meine einzigen Informationen über ihn stammten von diesem unscharfen Foto im Daily Record. Ich glaubte, er würde wie das Allerböseste aussehen, das ich je zu Gesicht bekommen hatte. Die Realität war enttäuschend. Meine Ängste legten sich, aber Abscheu und Verachtung stiegen in mir hoch, als ich diese schmächtige, alte Gestalt betrachtete. Konnte das wirklich die Bestie sein? Seine Augen. Es waren nicht die Augen eines Killers, sondern die eines alten Waschweibs, das auf saftigen, gemeinen Klatsch hofft. Seine Nase, gekrümmt, anders als meine, ich habe die Nase meiner Mutter. Ich wollte ihn zu Boden werfen und auf seinen Schä-
    del trampeln, das Leben aus ihm herausquetschen, ihm seins nehmen, wie er mir meins gegeben hatte. Ich dachte an meine Mutter. Ich war wütend auf sie wegen ihrer Schwäche. Wie hatte sie sich von dieser jämmerlichen Kreatur so etwas antun lassen können? Wie war es möglich, daß sie ihn nicht hatte abwehren können?
    Wollte sie es etwa? Hatte sie ihn gewollt? Hatte sie das da gewollt? Nein. Niemals.
    Wie hatte sie den Abkömmling dieses Abschaums in sich wachsen lassen können, bloß wegen ner bescheuerten Kirche, die von Fotzen betrieben wird, die noch nich mal selber ficken. Oder es jedenfalls nich sollten.
    Das ist vorschriftswidrig.
    Es ist vorschriftswidrig, einen Inhaftierten dieser Kategorie mit einem einzelnen Beamten allein zu lassen, schon gar nicht mit nem Polizisten, der nur zu Besuch ist, aber der Schließer war ein treuer Logenbruder. Er ließ mich kurz mit ihm allein. Nur fünf Minuten. Mehr als genug, wenn man in der hohen Kunst der glatten Treppenstufen geübt ist. Ich hatte geglaubt, ich würde etwas sagen wollen. Ihm Vorwürfe machen oder Fragen stellen. Aber ich sagte kein Wort. Es hatte keinen Zweck. Ich ging nur auf die Bestie zu.
    – Was wollnse! Was wollnse! kreischte er mich an, als er meinen Haß und meine Entschlossenheit spürt.
    Als der Vollzugsbeamte wiederkam, lagen meine Hände um den Hals der Bestie, und sein eingeschlagener Kopf prallte von der Wand zurück.
    Der Schließer hielt mich zurück. Zerrte mich weg. Die Bestie

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