Drecksspiel: Thriller (German Edition)
denn keine der Straßen war eine wichtige Durchgangsstraße.
Wenn Rosenfeldts Tochter hier entführt worden war, dann musste es schnell geschehen sein. War sie mit Gewalt in ein Auto gezerrt worden? Dann hätte sie geschrien, was sicher nicht unbemerkt geblieben wäre. Und ein Zeuge hätte in dieser vornehmen Gegend doch mit Sicherheit die Polizei verständigt. Oder zumindest Shirins Eltern, die fabelhaften Rosenfeldts ,die in der Nachbarschaft jeder kannte.
Allerdings … wenn Shirin nun freiwillig in das Auto ihres Entführers eingestiegen war? Hatte er sie angesprochen? War sie auf ihn zugegangen? War der Täter demnach kein Fremder?
Ein ungutes Gefühl begleitete David auf dem Weg zurück zur Villa der Familie Lantz.
*
Toni trat zum Gerichtsmediziner. Ein fast unerträglicher Gestank betäubte seine Nase. Die Matratze unter Leylas verstümmelten Körper war mit Exkrementen besudelt. Toni schluckte. »Sie ist nicht länger als anderthalb oder zwei Stunden tot?«
Dr. Wittpfuhl schaute auf. »War das jetzt eine Frage?«
»Wenn Sie so wollen.«
»Ich habe sie Ihrem Kollegen schon beantwortet.«
»Also ja?«
Toni interpretierte das Knurren des Arztes als Zustimmung. Leyla musste also kurz nachdem Toni sich mit ihr gestritten hatte ermordet worden sein. Kurz nachdem er wie ein feiges Arschloch aus dem Club Amour getürmt war. Kurz nachdem ihm die beiden Schlägertypen von Dossantos aufgelauert hatten.
Tonis Herzschlag ging schnell und laut. »Was haben Sie sonst noch?«
»Einen guten Rat«, sagte der Mediziner.
»Wie bitte?«
»Warten Sie die Obduktion ab.«
Nur mit Mühe hielt Toni an sich. Natürlich tat Dr. Wittpfuhl nur seine Pflicht, aber seine herablassende Art konnte empfindliche Nerven ganz schön reizen. Und Tonis Nerven lagen gerade blank.
»Also schön«, der Arzt verdrehte die Augen, »das Opfer wurde ausgeweidet …«
»Was Sie nicht sagen!«
»… und hat dabei einen Schock erlitten. Es verlor das Bewusstsein. Schließlich ist es am Blutverlust gestorben.«
»Ist das alles?«
»Nein, das ist lediglich der Schluss dieser grausigen Geschichte.«
»Und wie hat die Geschichte begonnen?«
»Ihr Kollege hat es ja bereits erwähnt«, der Arzt wies auf Leylas Extremitäten, »dem Opfer wurden Arme und Beine fixiert, was die Striemen erklärt, die Sie hier und hier erkennen können. Außerdem wurde das Opfer geknebelt. Wenn Sie genau hinschauen, erkennen Sie an der Unterlippe Spuren von Klebeband.«
»Damit sie nicht schreit?«
»Nun, das liegt wohl auf der Hand, oder?«
Toni ersparte sich eine Antwort.
»Danach wurde das Opfer am ganzen Körper mit einem Messer malträtiert«, erklärte Dr. Wittpfuhl weiter. »Es wurde nicht tief gestochen. Nur geschnitten, wie Sie zum Beispiel hier oder hier sehen können. Oder sollte ich sagen: geritzt? Erst dann wurde ihm die Bauchhöhle geöffnet, vermutlich mit einem Filetiermesser oder einem ähnlichen Werkzeug. Etwas mit kurzer, scharfer Klinge, zumindest deuten die feinen Schnittränder darauf hin. Zu diesem Zeitpunkt lebte das Opfer noch, das Blut ist noch durch den Körper zirkuliert, wie Sie unschwer erkennen können.« Er zeigte auf den Klumpen blutiger Eingeweide. »Und damit komme ich zum entscheidenden Punkt: Wenn ich mir die Haltung des Opfers so anschaue, bin ich geneigt zu sagen, es war während des Ausweidens gelähmt, vermutlich sogar betäubt. Möglicherweise durch irgendwelche Drogen.«
Der Mediziner betrachtete nachdenklich die Kokainreste am Boden, bevor er weitersprach. »Davon scheint es hier ja eine Menge zu geben. Aber ganz genau kann ich das erst, na ja, Sie wissen schon, nach der Obduktion …«
»Wieso gelähmt und betäubt?«, fragte Theis.
»Nun, ich kann mir nur einen Grund vorstellen, warum der Mörder das getan hat.«
»Damit das Opfer keine allzu großen Schmerzen erleidet«, bemerkte Blundermann.
»Nein«, Dr. Wittpfuhl lächelte, »das wohl eher nicht.«
»Sie meinen …?«
»Ja«, der Arzt nickte, »der Mörder hat Wert darauf gelegt, dass das Opfer nicht frühzeitig seinen Schmerzen oder einem Schock erliegt, sondern das Ausweiden so lange wie irgend möglich miterlebt.«
*
David wurde freundlich in die Villa gebeten, doch im Foyer blieb Jan-Hendrik Lantz unvermittelt stehen. Anders als sein Nachbar Rosenfeldt schien er keinen Wert darauf zu legen, einen imposanten Eindruck zu hinterlassen. Sein Aufzug war deutlich legerer, bestand aus Sandalen, Shorts und einem maritim gestreiften Polo-Shirt. Die
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