Drecksspiel: Thriller (German Edition)
leer gefegt. Auf den ersten Blick schien es, als hätte sich die Stadt schlafen gelegt.
Theis fragte: »Was ist los mit dir?«
Toni schreckte aus seinen Gedanken auf. Er machte einen tiefen Zug. »Was, wenn dieser …«, er stieß den Rauch aus seiner Lunge, »… dieser Freund nicht der Mörder gewesen ist?«
»Im Augenblick haben wir nichts, was auf einen anderen Täter hinweist. Er ist unser Hauptverdächtiger.«
»Ja, aber überleg doch mal: Ley …«, Toni räusperte sich und zwang sich zur Konzentration, »… also, das Opfer, Marlene Nedel, hatte einen Streit mit ihrem Freund. Der tickt aus. So weit, so alltäglich. Aber dieses Mädel hier ist gequält, aufgeschlitzt und ausgeweidet worden. Was soll diese Brutalität? Klingt das für dich nach einer Tat im Affekt?«
»Vielleicht hatte sie einfach den falschen Freund.«
»Wie meinst du das?«
»Sie hat es in den Nachrichten an ihre Freundin doch selbst beschrieben: ein Irrer. Einer, dem es Spaß macht, zu quälen.«
Toni hüllte sich in qualmendes Schweigen. Von einer beleuchteten Werbesäule am Straßenrand lächelte spöttisch die Flatrate-Blondine.
Tonis Magengrummeln verstärkte sich, je näher sie den Plattenbauten Marzahns kamen. Anonyme Hochhäuser, soweit das Auge reichte, keine Geschäfte, keine Cafés, ein Zufluchtsort für Leute, die ebenso auf den Hund gekommen waren wie das Viertel.
Vor der Franz-Stenzer-Straße 5 waren schrottreife Autos abgestellt. Mülltonnen reihten sich aneinander. Abfall quoll aus den Behältern. Das Surren der Fliegen war bis auf die Straße zu hören.
Die Eingangstür, deren Glas zersplittert war, stand sperrangelweit offen.
Theis betrat das Gebäude.
»Wollen wir nicht klingeln?«, fragte Toni.
»Können wir oben.«
»Aber wir wissen doch gar nicht wo.«
Theis wies auf das Bataillon der Klingelknöpfe neben der Eingangstür. Ein Großteil war nicht beklebt, aber eines der Schilder zeigte den Namen Nedel. »Der Anordnung zufolge würde ich sagen: sechste Etage.«
Toni zögerte, während sein Kollege im Hauseingang verschwand. Er holte sein Zweithandy hervor und schleuderte es zwischen den Müll, bevor er Theis folgte.
Im Flur stank es nach Schweiß und Urin. Durchs Treppenhaus hallte Hundegebell. Aus einer Wohnung tönte Rapmusik. Yeah, dieses Leben ist nicht immer dankbar, nein, dieses Leben ist nicht immer leicht …
Ein rostiger Aufzug beförderte sie in den sechsten Stock. Leylas Wohnung befand sich am Ende eines stickigen Korridors, der muffig und nach Alkohol roch. Das Linoleum war fleckig, voller Brandlöcher und Kaugummireste, übersät mit Coladosen, Zigarettenschachteln und anderen Abfällen, die Toni nicht genau erkennen konnte, weil der Großteil der Wandlampen nicht funktionierte.
Auf dem Weg durch das Halbdunkel blieb Theis abrupt stehen.
Toni konnte gerade noch rechtzeitig stoppen. »Was …?«
»Pst!« Sein Kollege zeigte auf Leylas Wohnungstür. Sie war angelehnt, das Schloss aufgebrochen, der Rahmen zersplittert.
*
Arthur hängte die Zapfpistole zurück in die Tanksäule. Der kleine Monitor zeigte 122 Euro an. Die üblichen völlig überzogenen Kraftstoffpreise während der Sommerferien.
Er zog seine Geldbörse aus der Hosentasche, rein aus Gewohnheit, denn seine Kreditkarte war gesperrt und sein Kontodispo seit Monaten erschöpft. Von dem Geld, das er kurz vor der Fahrt ins Hermano eingesteckt hatte, war auch nur noch ein geringer Rest übrig.
Arthur warf einen prüfenden Blick über das Tankstellengelände.
Drei Zapfsäulen weiter alberten zwei Hippiepärchen mit Dreadlocks vor einem alten, rostigen Bulli herum, Urlaubsromantik made in Kreuzberg. Zwei Teenager im Hiphop-Style schlurften in den hell erleuchteten Kassenraum und nölten dem Kassierer eine launige Begrüßung zu, bevor sie sich den Regalen mit Getränken und Zeitschriften widmeten.
Arthur entriegelte den Kofferraum des BMW und hob die Klappe an. Er schob die Abdeckung beiseite und öffnete die Ledertasche, die er dort anstelle des Ersatzreifens verstaut hatte. Geldbündel quollen ihm entgegen. Hunderttausende Euro und mehr.
Er streckte die Hand danach aus. Auf halbem Wege hielt er inne, denn plötzlich tönte eine Stimme in seinen Ohren.
Wir verstecken es. Wir rühren es nicht an. Und kein Wort zu niemandem. Hast du verstanden?
Er hörte die Stimme so laut und klar, dass er sich um ein Haar nach ihr umgedreht hätte. Die Ernüchterung traf ihn wie ein Schwall eiskalten Wassers.
Was wäre, wenn …?
So
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