Drecksspiel: Thriller (German Edition)
Lösegeld?
Nein, das war absurd. Viel gab es bei ihnen nicht zu holen. Schon lange nicht mehr.
Ihr fielen Philips Worte ein. Wir haben einen Auftrag. Einen richtig guten sogar. Der Knoten in Hannahs Magen löste sich. Wenn es um ein Lösegeld ging, dann bedeutete das, dass Philip lebte. Sie lachte befreit. Er lebt. Er lebt.
Sie schaute wieder nach dem Mann im Garten, aber da, wo er vor wenigen Sekunden gestanden hatte, hüpfte nur noch eine Amsel über die Wiese. Wohin war der Fremde gegangen?
Das ist egal! Überall war besser als im Haus, bei ihr und bei Millie. Und bald würde Philip kommen, das Lösegeld bezahlen, sie befreien und retten. Das war die Hauptsache. Glaub mir, Hannah, alles wird wieder gut. Ein tröstlicher Gedanke, der sogar ihre Kopfschmerzen etwas linderte.
Eine Hand strich über Hannahs Haar.
Zehn
Toni ließ sich von seinem Kollegen an der Ecke Tempelhofer Ufer absetzen.
Trotz der frühen Stunde knallte die Sonne schon wieder auf den Asphalt. Vor den Ampeln staute sich der Verkehr wie jeden Morgen. Genervte Berufspendler malträtierten ihre Hupen. Es stank nach Abgasen und Sprit. Auf den stählernen Hochgleisen zog donnernd die U-Bahn vorüber.
Toni wollte die Wagentür zuschlagen.
»Warte!« Theis blockierte mit dem Passat die rechte Fahrspur und musste schreien, um sich durch das Protesthupen der Wagen hinter ihm verständlich zu machen. Er beugte sich über den Beifahrersitz und schaute zu Toni auf. »Geht es dir wirklich gut?«
»Wieso fragst du?«
»Einfach nur so.«
»Nur so?«
»Kein Grund sich aufzuregen.«
»Ich reg mich nicht auf«, fuhr Toni ihn an.
»Siehst du, das meine ich, du bist schon die ganze Nacht so … komisch.«
Toni klopfte seine Hemdtasche nach der Zigarettenpackung ab. Ihm fiel ein, dass er die letzte Pall Mall schon in Marzahn geraucht hatte.
Verfickte Scheiße! Er hatte allen Grund, komisch zu sein.
Ein Laster scherte in einem wüsten Manöver hinter dem Passat aus, zwang nachfolgende PKWs zum scharfen Bremsen. Der LKW-Fahrer hielt die Hand zum Fenster raus und zeigte ihnen den Stinkefinger.
»Was ich gestern Abend gesagt habe …«, schrie Theis unbeeindruckt von dem Chaos um sie herum.
»Was?«
»Wenn du Hilfe brauchst.«
»Nein, brauch ich nicht.«
Theis schwieg einen Augenblick. »Na dann, hau dich aufs Ohr. Mach dich frisch. Ich hol dich später ab, okay?«
Wortlos schloss Toni die Tür. Er sah dem Passat nach, wie er sich zwischen zwei Bussen einfädelte.
Natürlich war das Quatsch. Und ob er Hilfe brauchte! Das Dumme war nur: Ihm konnte keiner helfen. Nur er sich selbst. Aber auch das war fraglich.
Als habe sie seine Gedanken gelesen, grinste von einer Werbewand spöttisch die Flatrate-Blondine auf ihn herab. Allmählich fühlte Toni sich von ihrer Visage verfolgt – die ganze Stadt schien mit ihr zuplakatiert.
Er wartete, bis der Verkehr eine Lücke freigab, dann floh er über die Straße in ein aschgraues Reihenhaus. Fünf Stockwerke, kleine Fenster, so hellhörig, dass man ohne zu lauschen den Gesprächen der Nachbarn folgen konnte. Westberliner Nachkriegshässlichkeit. Ein Teil der Fenster seiner Zweiraumwohnung in der ersten Etage zeigten zum Mehringdamm, die anderen auf die Hochbahn am Tempelhofer Ufer, die sich alle paar Minuten brüllend in die Kurve legte. Keine Unterkunft zum Wohlfühlen, aber die einzige, die Toni nach der Trennung von seiner Ex auf die Schnelle gefunden hatte.
Mit einem Ächzen fiel er auf die Couch. Das Handy und die Armbanduhr zwackten in seiner Hosentasche. Er legte sie mitsamt dem Geldbündel und dem Kokstütchen auf den Tisch.
Die Sonne schien durchs Fenster und heizte die Zimmer auf. Es roch nach abgestandenem Kaffee, kaltem Rauch und Mottenkugeln, mit denen er seit Monaten dem Ungeziefer Herr zu werden versuchte, aber die Viecher kehrten immer wieder aufs Neue zurück. Was für ein Gestank! Was für eine Scheißhitze! Was für ein gottverdammter Lärm!
In einem plötzlichen Anfall irrationaler Wut fegte er das Telefon und die Uhr vom Tisch. Sie knallten gegen die Wand. Das Handy fiel unbeschadet zu Boden. Chinesische Massenware. Das Glas der Armbanduhr zersplitterte. Deutsche Qualitätsware.
»Scheiße!« Mit voller Wucht trat er gegen den Wohnzimmertisch. Das billige Stück zerbrach in seine Einzelteile. Geldscheine flatterten durch den Mottendunst.
Es klopfte an der Tür.
*
Pedro flog nach vorne, weil er nicht angeschnallt war. Er knallte mit dem Kopf aufs Armaturenbrett.
Sein Kumpel
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