Drecksspiel: Thriller (German Edition)
Heimat.
Früher hatte er voller Stolz auch Familienbilder im Hermano ausgestellt, aber dann war bei einem verheerenden Brand im Restaurant sein Sohn Samuel umgekommen. Anfangs hatte alles auf einen Unfall hingedeutet, später hatte sich herausgestellt, dass es ein Brandanschlag gewesen war – und ein Mord.
Kurz darauf war Dossantos’ Frau auf mysteriöse Weise verschwunden. Es hieß, er selbst hätte sie aus dem Weg schaffen lassen, kurz bevor sie – verbittert über den Tod ihres Sohnes – als Kronzeugin gegen ihren Mann hatte aussagen können.
Natürlich hatte man ihm das nicht nachweisen können. Wer auch nur die leistete Andeutung in dieser Richtung machte, hatte sofort ein Rudel seiner besten Anwälte am Hals: Rufschädigung, Verleumdung, einstweilige Verfügung, Unterlassungsklage.
Nein, Leute wie Dossantos kriegte man nur auf eine Weise dran.
Toni hielt die Beretta in seiner Jackentasche fest umschlossen, während er an den Türen zur Toilette und der Küche vorbeischritt. Auf einem Schränkchen lag eine angebrochene Packung Marlboro. Er steckte sie in seine Hemdtasche.
Am Ende des Flurs erreichte er eine Tür, hinter der die sonore Stimme des Portugiesen erklang, immer wieder unterbrochen von kurzem Schweigen.
Toni entsicherte die Waffe. Er öffnete die Tür.
Dossantos tigerte telefonierend durch sein Büro, ein großer, heller Raum mit Fenstern direkt raus zum Alex, voller Statuen und Bilder.
»Ich rufe zurück«, sagte er, als er Toni bemerkte, und legte sein Handy auf den Schreibtisch. »Toni, mein …«
Toni ließ ihn nicht ausreden. »Warum?«
»Warum was?«
»Warum hast du Leyla umgebracht?«
»Toni, mein Lieber«, Dossantos’ Stimme nahm einen entrüsteten Klang an, »ich habe niemanden umgebracht.«
Und tatsächlich, in seinem legeren Outfit, Rollkragenpullover, Stoffhose und Slipper, mit seiner schmalen Nase, dem fliehenden Kinn und dem graumelierten Haar, wirkte der Portugiese so harmlos wie der nette Onkel von nebenan. Oder wie Bill Murray.
Aber das täuschte.
»Ja natürlich, wie dumm von mir«, knurrte Toni. » Du hast niemanden umgebracht. Dafür hast du deine Leute.«
»Sei vorsichtig mit dem, was du sagst.«
»Sonst was? Bekomme ich Post von deinen Anwälten?« Toni lachte verzweifelt. »Nein, natürlich nicht, mir hetzt du gleich deinen Hulk auf den Hals!«
»Wen?«
»Ach, fick dich doch!«
»Toni!« Dossantos trat auf ihn zu.
Toni zog die Beretta. »Bleib stehen!«
Falls er erschrak, ließ der Portugiese es sich nicht anmerken. »Toni, ich …«
»Halt den Mund!«
Der Lauf der Beretta schwebte nur wenige Zentimeter vor Dossantos’ Gesicht. Es wirkte unnatürlich glatt, zweifellos das Ergebnis plastischer Chirurgie. Sein Alter war schwer zu schätzen.
»Toni, bitte«, sagte er, »nimm die Pistole weg.«
»Sonst was?«
Dossantos’ Augen huschten zur Tür.
Toni wirbelte herum. Zu spät, ein schmerzhafter Schlag traf sein Handgelenk. Seine Finger gehorchten ihm nicht mehr und ließen die Beretta fallen. Sie flog quer durch den Raum.
Im selben Moment explodierte Tonis Magen.
*
David drehte sich zur Tür. »Hallo, Caro.«
Seine Frau tat einen Schritt auf ihn zu, als wollte sie ihn umarmen. Auf halbem Weg widerstand sie dem Impuls, trat stattdessen an Jans Bett. Nur die unsichtbare Wolke ihres Lieblingsparfüms Chloé gelangte bis zu David. Unwillkürlich sog er den blumigen Duft tief in seine Nase.
»Na, mein Kleiner«, sagte Caro.
»Bin ein Großer.«
»Natürlich bist du das.« Sie küsste Jans Stirn. »War Dr. Rösler schon da?«
»Mhm.«
»Hat er noch was gesagt?«
»Ich darf bald wieder nach Hause.«
»Und? Freust du dich schon?«
»Mhm.«
»Und wie fühlst du dich?«
»Gut.«
»War das Frühstück heute lecker?«
»Geht so.« Besorgt schielte Jan über die Schulter seiner Mutter. David hielt seinen Zeigefinger vor die Lippe.
»Was heckst du schon wieder aus?«, fragte Caro ihren Sohn.
»Ach, nichts.«
»Nichts?«
»Nur ein Geheimnis«, sagte Jan.
»Darf ich es auch erfahren?«
Jan kicherte. »Dann wäre es ja«, er brach in Husten aus, »kein Geheimnis mehr.«
»Da hast du natürlich recht.« Mit den Fingern kämmte seine Mutter ihm das verstrubbelte Haar, aber ihre Augen hielt sie skeptisch auf David gerichtet. »Du heute hier?«
Normalerweise kam er nur an den Wochenenden ins Krankenhaus, so hatten sie es vereinbart. »Ich hatte gerade Zeit, und da dachte ich, ich schaue, wie es ihm geht.«
Etwas an seinen Worten weckte
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