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Drei Dichter ihres Lebens

Drei Dichter ihres Lebens

Titel: Drei Dichter ihres Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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philosophische Abhandlungen und wird späterhin, wenn er einmal die Uniform ablegt, eine Geschichte Venedigs verfassen, jetzt aber lebt er wichtigeren Aufgaben im Schatten Bonapartes. Ein nimmermüdes Arbeitstier, verfaßt er Tag und Nacht im Geheimkabinett des Generalstabs Pläne, Berechnungen und Briefe, niemand weiß, zu welchem Zweck. Der kleine Henri haßt ihn gerade darum, weil er ihm nach vorwärts helfen will, denn er will nicht nach vorwärts, er will zu sich selbst.
    Aber eines Tages ruft Pierre Daru den Faulenzer; er solle sofort mit in das Kriegsministerium, er habe eine Stelle für ihn. Unter der Karbatsche Darus muß nun der kleine feiste Henri Briefe, Briefe, Briefe, Referate und Berichte schreiben von zehn Uhr morgens bis ein Uhr nachts, daß ihm die Finger krachen. Noch weiß er nicht, wozu all diese wütige Schreiberei dient, aber bald wird die Welt es wissen. Ahnungslos schafft er mit an dem italienischen Feldzuge, der mit Marengo beginnt und mit einem Kaiserreich schließt; endlich erzählt der »Moniteur« das Geheimnis: der Krieg ist erklärt. Der kleine Henri Beyle atmet auf, gottlob! jetzt muß dieser Quälgeist Daru abrücken ins Hauptquartier, vorbei die öde Brieffuchserei. Er atmet auf; lieber Krieg alsnoch weiterhin dies Schrecklichste auf der Welt, als die beiden Dinge, die er am meisten haßt: Arbeit und Langeweile.
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    1800, Mai. Nachhut der italienischen Armee Bonapartes bei Lausanne.
    Ein paar Kavallerieoffiziere drängen ihre Pferde zusammen und lachen, daß die Federbüsche auf ihren Tschakos wackeln. Ein possierlicher Anblick: da hockt auf einer widerspenstigen Mähre, wie ein Affe ungeschickt angekrallt, ein kurzbeiniger dicker Junge, halb Zivil, halb Militär, und rauft mit dem bockigen Vieh, das den Sonntagsreiter durchaus den Boden küssen lassen will. Sein riesiger Pallasch, schief um den Bauch gebunden, schlenkert immer gegen die Kruppe und kitzelt das arme Roß, bis es schließlich steigt und in höchst unbeabsichtigtem Galopp den tristen Kavalleristen quer über Äcker und Gräben schüttelt.
    Die Offiziere amüsieren sich königlich. »Reit hin«, kommandiert endlich mitleidig der Kapitän Burelvillers seinem Burschen, »und hilf diesem Demian!« Der Bursche galoppiert scharf nach, karbatscht der fremden Mähre ein paar Saftige über, bis sie stille steht, dann packt er die Zügel und schleppt den Neuling heran, das Gesicht krebsrot von Zorn und Scham. »Was wollen Sie von mir?« fragt er erregt den Kapitän: der ewige Phantast träumt schon von Arretierung oder Duell. Aber der spaßmütige Kapitän wird sofort, als er hört, daß es sich da um einen Vetter des allmächtigen Daru handelt, sehr höflich, bietet ihm seine Gesellschaft an und fragt den zweifelhaften Rekruten, wo er bisher sich umgetrieben. Henri errötet: diesen Banausen kann man doch nicht eingestehen, daß man in Genf tränenden Auges vor dem Haus gestanden, in dem Jean-Jacques Rousseau geboren wurde. So tut er forsch und frech, spielt den Kühnen in einer so ungeschickten Weise, daß er ihnen allen gefällt. Die Offiziere lehren ihn zunächst kameradschaftlich die hohe Kunst, beim Reiten die Zügel richtig zwischen zweiten und dritten Finger zu fassen, den Säbel gerade umzuschnallen, und sonst noch ein paar Geheimnisse des Kommiß. Und sofort fühlt sich Henri Beyle als Soldat und Held.
    Er fühlt sich als Held oder zumindest, er erlaubt nicht, daß jemand anderer an seiner Courage zweifelt. Er wird sich lieber die Zunge abbeißen, als eine ungeschickte Frage tunoder einen Seufzer Angst aus den Lippen lassen. Nach dem weltberühmten Übergang über den St. Bernhard wendet er sich lässig im Sattel und fragt den Kapitän beinahe verächtlich seine ewige Frage: »War das alles?« Wie er bei Fort Bard ein paar Kanonen brummen hört, tut er abermals erstaunt: »Ist das der Krieg, nichts als das?« Immerhin, er hat Pulver gerochen, eine Art Jungfräulichkeit vor dem Leben ist nun verloren, ungeduldiger spornt er das Pferd, rasch hinab nach Italien, nun die andere noch verlieren, und über die kurzfristigen Abenteuer des Kriegs den unendlichen des Eros entgegen.
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    1801, Mailand. Korso an der Porta Orientale.
    Der Krieg hat die Piemonteser Frauen aufgeweckt aus ihrer Gefangenschaft. Seit die Franzosen im Lande sind, fahren sie täglich in ihren niederen Karossen die blitzenden Straßen unter dem blauen Himmel entlang, lassen anhalten, plaudern mit ihren Liebhabern oder ihren Cicisbeos, lächeln den jungen

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