Drei Eichen (German Edition)
Franziska nicht von ihrem Lebensplan abbringen konnte, aber sie würde sie, soweit es ihr möglich war, unterstützen. Sie war ihre Tochter, schon immer gewesen. Auch schon, bevor sie ihren Vater für tot erklärt hatten. Und sie war davon überzeugt, dass Franziska umgekehrt genauso dachte. Claudia war ihre Mutter, ihre Familie. Ohne sie wäre sie in einem Heim oder bei Pflegeeltern gelandet. Aber wie wäre es dort einem Kind ergangen, das nicht sprach und unter einem traumatischen Schock litt?
Es war alles so gekommen, wie es hatte kommen müssen, davon war Claudia Büchler überzeugt. Es war ihr Schicksal gewesen, dieses Kind zu finden und es großzuziehen. Sie hatte es keine Minute bereut.
»Und was ist dein Plan?«, stellte nun Franziska ihrerseits die Frage nach der Zukunft.
Claudia Büchler lächelte. »Wenn meine Tochter so einfach zum Studium in die USA entschwindet, werde ich es wohl wagen und Sven fragen, ob er bei mir einzieht. Ohne dich wird die Wohnung öde und leer sein.«
Franziska grinste breit. »Echt? Du mit einem Mann in unserer Wohnung?« Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet.
»Echt«, bestätigte Claudia Büchler lachend. »Und wer weiß, vielleicht fliegst du ja bald schon außerplanmäßig wegen einer Hochzeit aus den Staaten zurück?«
Franziska spuckte das Eis fast wieder aus, weil sie ihren spontanen Lachanfall nicht in den Griff bekam. Endlich war die Stimmung von Mutter und Tochter so unbeschwert, wie sie in einem solchen Moment sein sollte. Für ein paar Minuten waren die dunklen Gedanken vergessen, die sie seit so langer Zeit begleitet hatten und die bald auch wieder ihr Leben bestimmen würden. Aber nicht heute, nicht hier und jetzt.
Der Anruf erreichte Huppendorfer, als Haderlein mit Lagerfeld wieder in den Hof hinuntergehen wollte, um die Vespa noch einmal zu untersuchen. Als er den Hörer auflegte, schüttelte er ein paarmal erstaunt den Kopf. »Franz, Bernd, kommt mal her, bevor ihr wieder verschwindet. Das werdet ihr nicht glauben.«
»Was ist los?«, fragte Lagerfeld.
Huppendorfer schob ihnen wortlos einen Zettel hin, auf dem Jahreszahlen und ein Name standen. Den Namen kannten sie nur zu gut.
»Das ist ja eine Überraschung«, knurrte Haderlein. In seine Augen trat das gefährliche Leuchten, das bei ihm immer dann zu sehen war, wenn er einen Durchbruch geschafft hatte. »Da haben wir also unsere Verbindung. Das ist ja wirklich kaum zu glauben.«
Lagerfeld nahm Haderlein den Zettel aus der Hand. Die Handynummer in dem Lippenstiftbehältnis war in den letzten vier Jahren von der Telekom nicht mehr vergeben worden, aber bis dahin war sie mindestens fünfzehn Jahre lang einer einzigen Person zugeordnet gewesen. Diese Person war erst kürzlich auf der Bamberger Dienststelle gewesen. Sie hieß Gerhard Irrlinger.
»Volltreffer«, kam es Lagerfeld über die verblüfften und noch immer leicht rosa schimmernden Lippen.
Haderlein wurde plötzlich sehr betriebsam. »Cesar, krieg bitte noch heraus, wann genau die Ledang vermisst gemeldet wurde. Und, Bernd, du findest heraus, wer –«
»Ist alles schon gemacht«, unterbrach ihn Huppendorfer. »Honeypenny hat vorgearbeitet. Hier hast du alle Daten für deine Rollerschnecke. Petra Ledang, Lehrerin aus Bamberg, vermisst seit dem 1. Juni 1996. Mit ihr verschwunden ist eine limettengrüne Vespa der Firma Piaggio. Das ist sie doch, oder?«
Ungläubig nahm ihm Haderlein die Ausdrucke aus den Händen. »Cesar, du bist der Größte!«, rief er spontan. In Händen hielt er ein Bild seiner Vermissten und eins des Rollers, den sie auf den Eierbergen aus dem Dreck gehoben hatten. Dann stutzte er. »Aber das gibt’s doch nicht, das kann doch nicht wahr sein. Cesar, kannst du mir sagen, was der 1. Juni 1996 für ein Tag war?«
Huppendorfer wusste zwar nicht, was Haderlein damit anfangen wollte, aber egal, er hatte die Antwort in null Komma nix herausgefunden. »Ein Montag. Der erste Tag nach den Pfingstferien, wenn du es genau wissen willst.«
Huppendorfers und Lagerfelds Blicke richteten sich auf Haderlein. Sie hatten keine Ahnung, was an diesem Datum so Bedeutsames sein sollte.
Plötzlich drehte sich Haderlein um und warf Huppendorfer die Zettel mit den herausgefundenen Daten auf den Tisch zurück. »Du gehst jetzt die Vermisstendatei der letzten zwanzig Jahre durch und suchst mir sämtliche Daten von denjenigen Personen heraus, die über die Pfingstfeiertage vermisst worden sind, verstanden? Was meinst du, wie lange wirst du
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