Drei Eichen (German Edition)
geistigen Auge ab, den sie eigentlich geglaubt hatte, schon aus ihren Erinnerungen gelöscht zu haben. Aber nun hatte der Mann, der ihr vor vielen Jahren am Steinbruch von Ludvag in die Augen geschaut hatte, wieder alles an die Oberfläche ihres Gedächtnisses gezerrt. Das Zittern nahm zu, und ein kalter Schauer nach dem anderen jagte über ihren Rücken. Als die Tränen kamen, fiel sie hemmungslos schluchzend auf ihr Bett.
Papa. Irgendwann in der Nacht stieß sie wieder und wieder nur dieses eine Wort hervor, und als die zaghafte Morgensonne durchs Fenster schien, war aus der gestern noch fröhlichen Franziska Büchler wieder ein kleines, trauriges, verängstigtes Mädchen geworden.
»Da ist es.« Erleichtert deutete Huppendorfer auf das Datenblatt, das soeben auf dem Bildschirm erschienen war.
»Ist vielleicht ein Jäger darunter?«, fragte Haderlein, während Lagerfeld noch immer nicht kapierte, worauf Franz hinauswollte.
»Woher weißt du das?«, rief Huppendorfer erstaunt aus. »Ein Marco Probst aus Großheirath bei Coburg. Ledig, gelernter Koch. Verschwunden in der Nacht von Freitag auf Pfingstsamstag 1998.« Er überflog, was die Polizei damals in Erfahrung gebracht hatte. »Wollte anscheinend auf die Jagd, kam aber nicht mehr zurück. Die Kollegen aus Coburg haben damals die Vermisstenanzeige aufgenommen.«
»Gut«, knurrte Haderlein befriedigt. Er schien genau das erwartet zu haben. »Steht da vielleicht auch, wo dieser Probst damals seine Jagd hatte? Das würde mich brennend interessieren.«
Wieder versenkte sich Huppendorfer in seinen Computer, dann weiteten sich seine Augen. »Das glaub ich jetzt nicht!«, rief er erstaunt. »Seine Jagdpacht war im Landkreis Lichtenfels. Ratet mal, wo genau?«
Lagerfeld zuckte ahnungslos mit den Schultern, doch Haderlein hatte eine Vermutung. »Eierberge?«
Huppendorfer grinste. »Nicht direkt, aber gleich daneben im Tal. Rund um Wiesen und Nedensdorf und bis nach Unnersdorf und Hausen hinunter. Aber was sagt dir das jetzt?« Huppendorfer schaute Haderlein fragend an.
»Ich fänd’s auch ganz nett, wenn du uns an deinen Schlussfolgerungen teilhaben ließest, Franz«, sagte nun auch Lagerfeld, der wissen wollte, was für eine Theorie sich sein älterer Kollege da zusammengebastelt hatte.
»Gleich, ich muss nur noch etwas Letztes wissen.« Haderlein beugte sich näher an den Bildschirm und las die Liste genau durch. »Cesar? Jetzt lösch mal alle aus der Liste, die nicht in einem Umkreis von, sagen wir mal, hundert Kilometer um Bamberg oder Coburg vermisst werden.«
»Zu Befehl, Bwana«, spöttelte Huppendorfer, hatte aber seine Sucheinstellung innerhalb weniger Sekunden mit ein paar Mausbewegungen und Klicks geändert. Nur noch vier Namen leuchteten auf.
Haderlein entließ mit einem aggressiven Pfeifen die Luft aus seinen Lungen und deutete derart erregt auf den Bildschirm, dass Huppendorfer es mit der Angst bekam. »Diese vier Namen da, das sind unsere Toten von den Eierbergen, da gehe ich jede Wette ein! Und der eine bisher Unbekannte sagt mir auch irgendwas, ich weiß nur nicht, was.«
Lagerfeld und Huppendorfer wurden blass. Woher wusste Haderlein das? Zwei der Namen sagten ihnen bereits etwas. Petra Ledang und der Jäger Marco Probst. Mit den anderen beiden konnten sie noch nicht viel anfangen. Bei ihnen handelte es sich um einen gewissen Elmar Ränkenschuh aus der Nähe von Ebern und um Felix Groh aus Bamberg. Alle vier waren jeweils an oder um Pfingsten herum auf Nimmerwiedersehen verschwunden und als vermisst gemeldet worden.
»Aha«, meinte Lagerfeld von Haderleins Schnelligkeit etwas überfordert, »und was macht dich da so sicher, Franz?« Sein Gefühl sagte ihm, dass Haderlein auf der richtigen Spur war, aber er hatte keine Ahnung, warum dem so war.
»Gleich, gleich«, murmelte der erregte Kriminalhauptkommissar und durchsuchte die Schubladen seines Schreibtisches. Als er sich wieder umdrehte, winkte er Huppendorfer. »Hol doch bitte mal unseren Chef aus seinem Glaskasten. Das, was jetzt kommt, geht auch ihn etwas an.«
Huppendorfer verschwand in Richtung Glastür, während Haderlein endlich gefunden zu haben schien, wonach er suchte.
Als Huppendorfer schließlich mit Robert Suckfüll auftauchte, hatten Haderlein und Lagerfeld eine Landkarte von Nordbayern mit Thüringen und den angrenzenden Bundesländern an eine der beiden magnetischen Rollwände geheftet, die im Büro standen. Sogleich bat Haderlein die Anwesenden, Platz zu nehmen, nur
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