Drei Engel für Armand
Palast verlassen, ihren ganzen Kleiderschrank mitzunehmen.« Talia nahm einen der Säcke und brachte ihn ans Fußende des Betts. Ein Regenbogen aus Seide, Samt, Satin und Leinen begann sich auf der Matratze anzuhäufen, als sie sich durch die Kleider grub, bis der Haufen auf die arme Taube zu kippen drohte. Danielle zwängte sich an Talia vorbei und brachte das Tier am Kopfende in Sicherheit.
Schließlich förderte Talia eine verblichene Hose und ein weit geschnittenes gelbes Hemd zutage. Eine passende Mütze folgte. »Zieh das an, Prinzessin!«
Schnee ließ den anderen Sack neben das Bett plumpsen.
Sie beobachtete, wie die Taube zurückhüpfte, und lächelte. »Sie bewegt sich gut. Ich denke zwar nicht, dass sie vor einem Monat wieder fliegen wird, aber sie sollte wieder gesund werden.«
»Lasst mich wissen, wenn ihr zwei damit fertig seid, euch um Vögel zu sorgen«, sagte Talia. »Jemand unter uns möchte nämlich auch versuchen, den Prinzen zu retten.«
»Ach, sei doch still!«, sagte Schnee. An Danielle gewandt fügte sie hinzu: »Der Körper kann sich von nahezu allem erholen, Stärke und Zeit vorausgesetzt. Man muss ihm dabei nur ein wenig helfen.« Sie streckte die Hand aus und tätschelte der Taube den Kopf.
»Ich danke dir!«, sagte Danielle. Sie zog die Hose hoch und nahm anschließend die halbhohen Stiefel, die Talia ihr zum Schluss gegeben hatte. Sie rochen nach fauligem Gras.
»Trag auch den hier!«, sagte Talia und reichte ihr einen schlanken Dolch in einer schwarzen Lederscheide, die mit springenden Delfinen verziert war. Sein Heft bestand aus Gold und Meerschaum. »Delfine sind gefährliche Geschöpfe. Sie sind schön anzusehen, aber sie können einen Hai töten.« Sie wölbte eine Augenbraue. »Verstehst du, was ich meine?«
Danielle schnallte sich das Messer um die Hüfte. Eine braune Weste mit schlecht geflicktem Saum hing weit genug herunter, um die Waffe vor oberflächlichen Blicken zu verbergen.
»Das geht.« Talia wandte sich an Schnee. »Wenn du dann mit dem Vogel fertig bist?«
Schnee klatschte in die Hände und eilte zum Bett. Danielle drehte sich um, als Schnee sich auszuziehen begann und ihre Kleider auf den Boden warf. Talia folgte Schnees Beispiel, wenngleich sie wenigstens um das Bett herumging und sich sittsam hinter den Vorhang stellte.
»Wie sehe ich aus?«, fragte Schnee. Sie trug ein blutrotes, ausgeschnittenes Kleid. Sie warf sich einen leichten Reitumhang über die Schultern und zog den Kaninchenfellbesatz an die Wangen. Lächelnd machte sie einen Knicks. »Die Lady Anneliese Elina O’Dette von Emrildale.«
Talia schüttelte den Kopf. »Das ist … grässlich!« Zu Danielle sagte sie: »Nenn sie Mylady. Anne von Emrildale, falls jemand fragt. Ich darf davon ausgehen, dass es dir keine Probleme bereiten wird, dich als Dienerin auszugeben?«
»Ich denke, das bringe ich fertig«, erwiderte Danielle im gleichen trockenen Ton.
Talia zog ihre eigenen Stiefel fertig an und begann, sich durch den zweiten Sack zu wühlen. Sie zog eine Schultertasche an und legte die Spindelpeitsche hinein, die sie von unten mitgebracht hatte. Danach holte sie ein Paar mit Metallspitzen versehene Stäbchen aus dem Sack, mit deren Hilfe sie ihr Haar am Nackenansatz in einen fest geflochtenen Knoten drehte.
»Lasst uns aufbrechen!« An der Tür blieb Talia stehen. »Ich bezweifle ja, dass wir irgendjemand beim Haus finden werden, aber falls doch, dann bleibst du hinter mir, Prinzessin. Wenn ich sage ›lauf‹, dann läufst du. Verstanden?«
Schnee klatschte in die Hände. »Kommt jetzt! Ich dulde keinen Zank unter meiner Dienerschaft!« Sie schlüpfte an Talia vorbei in den Flur.
Als sie ihr folgte, hörte Danielle Talia brummen: »Nächstes Mal bin ich das verzogene Gör!«
Nicht eine Wache schien sie zu bemerken, als sie durch den Palast gingen. Mehrere Male, wenn sie Dienern oder Wachposten begegneten, glaubte Danielle einen Lichtblitz aus den Spiegeln an Schnees Halsband wahrzunehmen. Jedes Mal stolperte dann derjenige, an dem sie gerade vorbeikamen, und schaute erstaunt drein, bevor er weiterging.
Die Soldaten am Südtor bedachten sie kaum mit einem Blick. Anscheinend hatte die Königin sie davon in Kenntnis gesetzt, dass Lady O’Dette heute Morgen einen Bummel machen wollte. Was Danielle und Talia betraf, so waren sie einfach nur zwei weitere Dienerinnen; sie hätten ebenso gut unsichtbar sein können.
Danielle ertappte sich dabei, wie sie mit beunruhigender Leichtigkeit wieder
Weitere Kostenlose Bücher