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Drei Engel für Armand

Drei Engel für Armand

Titel: Drei Engel für Armand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim C. Hines
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die jeweilige Tageszeit ermitteln. Gegenwärtig war es Mitte Mai, und das oberste Licht befand sich einen Fingerbreit vor der Mittagessenmarkierung – über der Zeit für sie, um unten in der Küche zu sein und die Mahlzeit zuzubereiten.
    »Hier drüben!«, sagte Schnee. Tropfen schwarzen, geschmolzenen Wachses waren in die Ritzen zwischen den Fußbodendielen eingesickert. Schnee zog ihr Messer. Die Klinge war kurz, gerade und spitz. Die einzige Verzierung an der Waffe war ein goldenes Oval in der Mitte der Parierstange, in das eine Schneeflocke eingraviert war.
    Mithilfe der Messerspitze brach Schnee einen Brocken Wachs aus dem Boden. »Simples Bienenwachs tut es ebenso, aber alle wollen sie immer schwarze Kerzen. Oder blutrote. Meine Mutter war nicht anders: dicke schwarze Kerzen, Spinnweben, fett genug, um einen Hirsch darin zu fangen. Ich glaube, sie hat die Spinnen selbst gezüchtet, nur um das Haus schauriger zu machen.«
    »Was haben sie hier drin gemacht?«, wollte Danielle wissen.
    Schnee zeigte mit dem Messer auf die Zimmerdecke: Rauch hatte das Holz geschwärzt, mit Ausnahme eines kreisförmigen Bereichs über den Kerzen, so als ob der Rauch nicht in der Lage gewesen wäre, in diesen Ring einzudringen. »Sieht nach einer Beschwörung aus. Irgendetwas haben sie hier eingefangen.«
    »Kannst du uns sagen, was sie beschworen haben?«, wollte Talia wissen.
    »Tut mir leid.« Schnee steckte das Messer wieder in die Scheide. »Sie haben gründlich sauber gemacht.«
    Danielle machte große Augen. »Meine Stiefschwestern haben … sauber gemacht?«
    Talia ging zum Fenster. Alte Bretter brachen auseinander, als sie die Läden aufriss. Zum ersten Mal seit dem Tod von Danielles Vater strömte Sonnenlicht in die Dachkammer.
    »Danke«, sagte Schnee.
    Talia sah sich im Raum um und schüttelte den Kopf. »Hier ist nichts. Lasst uns in den Schlafzimmern nachsehen!«
    Danielle war schon auf der Leiter. Sie ignorierte die Zimmer ihrer Stiefschwestern und schlug den Weg ins Erdgeschoss ein.
    »Wo willst du hin?«, rief Talia ihr hinterher.
    »Charlotte und Stacia suchen.«
    Schnee legte den Kopf schief. »Und wie?«
    »Ich frage meine Mutter.«
    *
    Danielle ging um die Hinterseite des Hauses herum und blieb vor Erschütterung wie angewurzelt stehen. Sie hatte schon damit gerechnet, den Garten in ähnlicher Unordnung wie das übrige Haus vorzufinden. Unkraut überschattete das wenige Gemüse, das ihre Stiefschwestern sich die Mühe gemacht hatten anzupflanzen, und auf einigen Blättern konnte sie von hier aus die Nacktschnecken erkennen. Aber während der Großteil des Gartens nur deutliche Spuren der Vernachlässigung aufwies, war der Haselnussbaum in der Ecke – der Baum ihrer Mutter – absichtlich misshandelt worden.
    Geknickte und abgebrochene Äste hingen von den mittleren Stämmen herab. Was an Laub noch vorhanden war, war braun und spröde. Erdklumpen säumten ein tiefes Loch an der Wurzel, das den Eindruck machte, als habe ein riesiger Hund versucht, den ganzen Baum auszugraben. Die gesamte rechte Seite des Baums schien verbrannt zu sein und war nur noch wenig mehr als ein geschwärztes Skelett.
    Danielle dachte an die Zeit, als dieser Baum nichts als ein einzelner Haselzweig gewesen war, den sie zum Andenken an ihre Mutter gepflanzt hatte. Wochenlang war sie hierhergekommen, hatte geweint und gebetet und sich an die letzten Worte ihrer Mutter erinnert.
    Bleib fromm und gut, und ich will vom Himmel auf dich herabblicken.
    Der Baum war schnell gewachsen und hatte eine Gruppe dünner Stämme nach oben geschickt, die bald schon so dick wie ihre Taille waren. Bestimmt hätte ihre Stiefmutter ihn schon vor langer Zeit fällen lassen, wenn sie gewusst hätte, wofür er stand, aber für den Garten, wie für so vieles andere, war Danielle verantwortlich gewesen.
    Danielle sprang über den niedrigen Zaun. »Mutter?«
    »Was hast du?«, fragte Schnee.
    Danielle beachtete sie nicht. Monate zuvor hatten diese Zweige als Antwort auf Danielles Gebete geraschelt und ihr das prächtige Kleid gegeben, das sie auf dem Ball getragen hatte.
    »Charlotte hat es gewusst!«, flüsterte sie. So hatte es praktisch gesagt, neulich im Palast, aber Danielle war nicht klar gewesen, was das bedeutete.
    »Da ist noch etwas anderes in diesem Baum«, sagte Schnee.
    »Der Geist meiner Mutter.« Langsam sickerten Schnees Worte in ihren Verstand ein. Der Baum war noch nicht tot! Danielle stürmte vor.
    »Prinzessin, warte!«, rief Talia.
    Der Boden

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