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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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und gegrillte Bratwurst essen.«
    Ihre Augen fixierten hungrig eine kleine Gruppe alter Damen, die rund um ein Campingtischchen saßen und ausgelassen Bingo spielten. Auf einer kleinen Kiste, die zu ihren Füßen stand, hatten sie Sekt und belegte Häppchen aufgebaut. Etwas weiter entfernt dampfte es lecker aus einem Grill.
    »Die sehen so aus, als hätten die eusch wat voraus!«, deutete Erika mit ihrem Zwieback zu den Damen. »Dat könnte die Rischtung eines guten Weges sein. Aber um dahin zu kommen, braucht ihr auf dieser Reise den letzten Schritt. Ihr dürft Italien nicht sausenlassen.«
    Seinen Weg zu gehen, das war wichtig, und sei es jetzt, später oder mit hundertfünfzig Jahren. Auch wir hatten uns aufgemacht und waren, wie ich fand, sehr gut dabei. Jede von uns hatte ihr persönliches Ziel dabei gefunden. Und wir waren uns so nahegekommen, wie es in keinem Hotel der Welt möglich gewesen wäre. Was haben wir doch für kluge Kinder, dachte ich und verleibte mir Sarah und Anna als Anteilstöchter einfach ein. Unsere Reise nach Italien war mehr als nur ein Urlaub geworden. Wir hatten uns auf den eigenen Pilgerpfad gemacht, und die Begegnungen und Etappen hatten jede von uns verzaubert und verwandelt.
    Aber Erika hatte recht, ohne die Kooperative oder die Stelle, wo sie einst stand, war der Weg nur halb gegangen. Wir würden heimkommen wie nach einem Marathon, bei dem wir nur zweiundvierzig Kilometer geschafft hatten. Es fehlten uns, sinnbildlich, nur noch 195 Meter, und für die ging uns gerade die Spucke aus.

    »Ich versuch mal zu schwimmen«, sagte ich, um ein bisschen nachzudenken, denn hier auf der Matte lachte Erika dafür viel zu laut. Sie war eine Fundgrube von Lebensweisheiten aller Art, und Tausende von Geschichten und Beispielen blubberten aus ihrem Mund. Im Weggehen hörte ich, wie sie bereits von Schweden erzählte, wo sie Polizisten abgefüllt hatte, um einer Strafe zu entgehen. »Und das«, krakeelte sie, »wo die Schweden doch angeblich gar nichts trinken.«
    Es brauchte mehrere Anläufe, bis ich im Wasser war. Kleine Steine piksten unter meinen Sohlen, und eine kleine Vogelfeder tanzte vor mir wie ein Boot. Ich benetzte meine Arme, mein Gesicht, machte drei, vier mutige Schritte und ließ mich dann ins Wasser gleiten. Es war ein wenig zu kühl, aber ich erwärmte mich sofort. Meine Schmerzen waren fast verschwunden. Die, die ich im Rücken hatte, und die, die auf meiner Seele lagen.
    Das Wasser war cremig weich, wie Schweizer Schokolade. Wasser, so hatte ich gelesen, war ein Symbol für das Unterbewusstsein, das Gefühl. Wenn dem so war, dann schwamm ich in einem großen Gefühl. Einem großen Gefühl der Glückseligkeit. Das ist das Glück auf Erden, dachte ich. Und eine Metapher dafür war Kokoszwieback mit Sülze aus der Dose. Ich war inzwischen so weit weg von meinem früheren Leben, dass es mir fast verrückt erschien, Urlaub in einem schnieken Hotel zu machen, mit einem Büfett, das sich in nichts von tausend anderen Büfetts unterschied: Mozzarella an Tomate, dekoriert mit Basilikumblättchen, zu Rosen geschnittene Karotten, eingelegter Hering, Wurstsalat und Rührei, das aus einer Tüte kam. Auch Wurstpralinen hatte ich schon gegessen. Und nicht zu vergessen der unausweichliche Lachs, mit der immergleichen Senfsoße oder flockig kredenztem Meerrettichschaum. Hier am See war das Glück, und es war garniert mit Kieseln, Fischchen und Schwanenfedern. Der Wind, der Himmel, die bunten Sonnenschirme und diese Menschen am Strand, die alle ohne Bekleidung und damit schutzlos waren und die sich trotzdem in Ruhe ließen. Das Glück, dachte ich, hat wenig Buchstaben. Eigentlich nur sechs. Das Glück heißt Luzern. Es war eine Fügung, dass wir hier gelandet waren.
    »Truuuuudiiiiii«, hörte ich Nele vom Ufer aus rufen. »Truuuuudiiiiii!«
    Träge hob ich meinen Kopf aus dem Wasser und sah Nele und Renate mir heftig vom Ufer aus zuwinken. Erika saß lässig auf der Matte und tätschelte Fips den Kopf. Sie hatte wieder ihre Baseballkappe auf, weil die Abendsonne glühte.
    »Komm raus!!!«, rief Nele mir laut zu. Sie hatte ihre Hände zu einem Verstärker geformt und winkte mir aufgeregt und fröhlich zu. Bedächtig schwamm ich in Richtung Ufer, immer darauf achtend, keine falsche Bewegung zu machen. Irgendwie geht es wohl weiter, entschlüsselte ich Neles und Renates Gesten, und ich freute mich, dass egal, was war, diese Reise einfach spannend blieb.
    »Erika hat uns einen Vorschlag gemacht«,

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