Drei Frauen im R4
eröffnete Nele die Runde, kaum dass ich aus dem Wasser gestiegen war. Sie hatte den Freundinnenrat eröffnet, und wie die Hohepriesterin im Tarot erteilte sie einer sichtbar irritierten Erika das Wort.
»Isch habö nachgedacht«, fing nun Erika in meine Richtung an.
»Psscht!«, machte Nele zu Fips.
»Wie ihr ja wisst, bin isch mitte janze Herzen Truckermutti«, predigte Erika dauflos. »Seit fünfundzwanzig Jahren fahr isch nun schon Köln–Bologna. Immer Autos! Und noch nie hatte isch eine Panne, zumindest keine, die ich nicht hätte selbst beheben können.«
»Wie nennt man dich eigentlich in Italien?«, kam mir in den Sinn. »Mama Truckone?«
Aber Erika winkte ab, um sich nicht mit Nebenschauplätzen aufzuhalten.
»Acht Autos nehm isch in der Regel mit, diesmal sind es jedoch nur sieben. Wie isch datt so sehe«, wurde sie mit einer großen Plötzlichkeit konkret, »liegt euer Problem nicht in der Entfernung, sondern es ist das Jeld. Aber«, fuhr sie fort, »wie ich es schon sagte: Träume gehören zu Ende geträumt. Ein halber Traum, das ist doch nichts. Das ist wie eine halbe Wurst, wie ein halber Zwieback oder wie ein schlecht eingeschenktes Glas. Isch hab da also auf dem Hänger einen Platz frei. Da sollte eijentlisch noch ein Corsa stehen, der dann doch auf dem Schrott gelandet is. Friede seiner Seele«, betreten blickte sie nach oben. »Also, isch biete eusch den Platz an, ihr sitzt mit eurem R4 dann in der Mitte, isch gondel eusch nach Forli, und was den Zoll anjeht, da könnt ihr ziemlisch sischer sein, ich werde nicht kontrolliert. Ich hab Papiere, und die kennen doch ihre Mutti, die lassen die doch mit ihrem Brummi hübsch in Ruh.«
Eine kurze Spannung lag in der Luft, und gleich darauf entstand ein großes Durcheinander.
»Wie soll das gehen?«, fragte Nele, und Renate wusste, »dass das schon klappt!«, während ich und Fips uns einig waren, dass die Idee den Grenzübergang zu einer leichten Sache machte. Eine Fahrt auf einen Streich, huckepack von hier nach Italien.
»Das machen wir!«, nahmen wir den Lift nach Italien an, inzwischen sicher, dass uns nichts und niemand aufhalten konnte, wenn wir etwas wollten.
Kapitel 17
Unterm Pflaster liegt der Strand
- Angi Domdey -
Sehr zügig und ohne viele Worte packten wir wenige Minuten später unseren Campinghaushalt zusammen. Das Zelt wurde wieder zur Wurst, und die Schlafsäcke zusammengestopft. Fips lag in Lauerstellung unter einem Busch. Die Bücher kamen in die Kiste, meine Malsachen wurden verstaut, und obwohl ich sie noch mal zeigte, wanderten die zwanzig Euro in das Mäppchen zurück, wo ich sie gefunden hatte. Nele und Renate hatten mir eine Spende verwehrt, weil niemand von uns damals vierzig Mark einfach so übrig gehabt hätte.
»Das war viel Geld!«, erinnerte mich Nele daran, dass sie als junge Erzieherin gerade mal hundertfünfzig Mark verdient hat. »Mit freier Wohnung, aber es war echt wenig!« Auch ich hatte mein Interesse an dem Schein verloren, denn was sind schon zwanzig Euro, wenn man nicht dafür gesungen und getanzt hatte?
Als wir alles im Auto verstaut und verpackt hatten, stand die Sonne schon sehr tief, und unsere Parzelle war so unberührt, wie wir sie in Empfang genommen hatten. Nur das Gras war etwas platter.
»Jetzt ist dieser Platz wieder frei für eine neue Geschichte«, meinte Nele, »denn jede Camperin bringt mit ihrem Zelt ihre Erlebnisse, Abenteuer, Freuden und Bekümmernisse mit.«
»Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne«, zitierte nun Renate das beliebte Hesse-Gedicht, was man sowohl auf den Platz als auch auf unsere Weiterreise beziehen konnte. Mit ziemlich viel Wehmut räumten wir erst ganz am Schluss die Gitarre, die Metallflöte und die leeren Joghurtgläschen ein, dann nahmen wir Abschied von diesem Fleckchen Erde. Wie Medizinfrauen setzten wir uns mitten auf den Rasen, fassten uns an den Händen und schwiegen. Nach einer Viertelstunde waren wir so weit. Wir sahen uns an, nahmen uns fest in die Arme, drückten uns und sagten Lebewohl.
»Was wohl aus dem Pfeifenraucher geworden ist?«, meinte Renate. »Und dem Horst?«
Mit seinen Sandalen, den Bundfaltenhosen und dem Wandermesser, das er am Gürtel trug, hatte Horst fast so gewirkt, als würde er, wie wir, auch ein wenig auf der Zeitkurve umherfahren.
»Bestimmt sind sie zusammen weitergereist«, phantasierte ich. Möglich ist auf dieser Welt alles, dachte ich, auch dass zwei miteinander weiterreisen, obwohl sie sich gar nicht kennen.
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