Drei Frauen im R4
vom Dienst!«
Deppin, dachte ich.
»Wenn ich einen anderen Urlaub gewollt hätte, dann hätte ich auf den R4 und das ganze Trallala verzichtet«, erklärte Nele. Sie bestrich den Pumpernickel so energisch, dass die kleine Scheibe in ihrer Hand sofort zerbrach. »Aber ihr? Ihr habt da wohl nicht für fünf Pfennig nachgedacht.«
»Haaallooo«, wehrte sich Renate.
Meine Ohren wurden groß.
»Und was soll das bitte gestern gewesen sein?«, gab Nele noch immer keine Ruhe.
»Jetzt mach aber mal einen Punkt.« Renate stieg wie ein Orkan aus ihren Federn. »Wir sind doch hier nicht im Weiberknast! Bloß weil ich mich ein bisschen unterhalte, machst du mir eine Szene?«
»Pfft! Unterhalten!«, konterte Nele schnippisch und fingerte sich dunkle Krümel aus dem Ausschnitt. Der Wind stieß ein Fenster auf und wehte die Gardine zu uns herein. Es war ein etwas brüchiger Stofffetzen, der nach unten in eine angedeutete Borte mündete. Meine Augen forschten kurz nach der Goldkante, aber dann war die Luft im Raum, trotz geöffnetem Fenster, doch so dick, dass ich mich lieber wieder auf das Geschehen konzentrierte. Gebannt von dem verbalen Ringkampf, sah ich erst zu der einen, dann zu der anderen hin, und mit nur einem Hauch mehr Mut hätte ich den Ansager eines Boxkampfes mimen können: »Nachdem die formidable, engelsgleiche und wie ein Esel sture Nele sich gestärkt hat, wacht jetzt auf: die fabelhafte Mutter und Lehrerin, Männerverächterin und Männerverkosterin, die Meisterin der Regeln, die sich über alle hinwegsetzt, wenn sie es so will, aber immer zum Besten aller, die unvergleichliche, wunderbare, kräftige und zarte Reeeeeenateeeeeeeee!«
Fast gerieten sie sich in die Haare, und es war wie früher, als wir Teenies gewesen waren, wenn es um die Typen ging. Erzieherinnen haben immer eine noch bessere Idee, und Lehrerinnen wissen überhaupt immer alles besser. Alles, was zwischen die beiden Pole kommt, hat nichts zu melden. Es geht heiß und energetisch zu wie bei Rocky 5 . Das muss ich Wolfgang simsen, freute ich mich über meine geniale Erkenntnis, doch dann fiel mir schmerzlich ein, dass ich ja eine Handyamputierte war und kein einziges Wörtchen mal eben simsen konnte, nicht mal »Kuss«. Und den hätte ich ihm jetzt zu gern gegeben.
»Okay, okay, okay«, versuchte ich zu vermitteln. »Lasst uns erst mal in Ruhe frühstücken.« Pastorinnenhaft nickte ich erst zur einen, dann zur anderen Freundin hin. »So kommen wir nicht weiter. Nicht in dem Ton.« Ich sah zu Nele. »Und auch nicht mit dem Verhalten«, damit war Renate jetzt gemeint.
»Es war doch awwer so schäh«, verteidigte Renate sich im breitesten Pfälzer Dialekt und lachte uns wie der Breitmaulfrosch an. Ihre Augen blitzten ganz blau, wie zwei kleine Bergseen strahlten sie Nele an, und ich wusste, Nele konnte diesem Augenaufschlag nicht lange widerstehen.
»Ich möchte ernst genommen werden«, brummte sie noch ein bisschen und reichte dann auch Renate ein Frühstücksbrettchen rüber.
»Ist doch nichts passiert«, erklärte Renate versöhnlich.
»Ich glaub dir kein Wort«, gackerte Nele in ihr Brot. Noch plusterte sie sich auf wie eine empörte Henne. Ob sie bei Anna auch so reagiert hatte, wenn die zu spät nach Hause gekommen war?
»Herrjemine«, seufzte Renate.
» Frau jemine«, verbesserte ich.
»Ist das alles, was du dazu zu sagen hast?«, fragten mich beide forsch.
Sofort stopfte ich mir zwei kleine Scheiben Pumpernickel in den Mund, um nicht weiter involviert zu werden. Das bringt nämlich nichts, von wegen Pole und dergleichen.
»Wir haben doch nur noch ein bisschen zusammengesessen.« Renates Zehen krabbelten über den Holzboden und suchten sich die Tennissocken. Dicke Dinger mit rotblauen Streifen. »Marco hat von seinem Studium erzählt. Das ist wirklich superinteressant, was für verschiedene Institute an seiner Hochschule sind. Er hat noch eine Schwester, die in den Dolomiten lebt. Sie ist dort Energiebäuerin!«
»Energiebäuerin?« Nele blickte irritiert hoch, und auch ich hatte diesen Ausdruck noch nie gehört.
»Ja, sie verdient einen wesentlichen Teil ihres Einkommens mit Solarstrom. Und sie verkauft Biokräuter. Borretsch, Pfefferminze, Koriander, Liebstöckel und natürlich Oregano, all die Kräuter eben. Lecker.« Renate nickte vor sich hin.
Da kommt doch noch was, spekulierte ich in den Kochkäse hinein.
»Ja«, fuhr Renate fort. »Seine Schwester ist wahnsinnig interessant. Marco hat sie dann angerufen …« Neue
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