Drei Frauen im R4
Gewitterwolken drückten sich in den Raum hinein. »… natürlich von einer öffentlichen Telefonzelle aus …« Die Gewitterwolken zogen wieder ab. »Weil er mir nicht glauben wollte, dass man Brennnessel essen kann. Ja … und toll, seine Schwester meinte dann, komm doch vorbei und bring diese interessanten Frauen mit, mit denen du gerade reist, das klingt doch total sympathisch, wie du die beschreibst!«
Neles Augenbrauen zogen sich zusammen, und ich stellte das Döschen mit dem Käse hin.
»Wie findet ihr diese großartige Idee?« Renate kämmte sich mit den Fingern durch das Haar, weil wir früher auch keine Bürsten benutzt hatten. Ihre Augen folgten mit einem leichten Silberblick ihren Fingern, die zwei verworrene Strähnen auseinanderzupften. Versteckt hinter ihren Haaren, weihte sie uns weiter in die grandiose Idee ein, die sie mit Marco unter den Sternen gesponnen hatte. »Wir fahren in die schönste Gegend, dürfen fein schlafen und sind schon jetzt zu einem grandiosen Biodinner eingeladen. BIODINNER ! Hast du das gehört, Nele? Damit wollte ich gerade dich glücklich machen. Ich weiß doch, wie sehr du Vollwert liebst.«
»Ja, baut die Schwester denn auch noch andere Sachen an, und hält sie auch Tiere?«
»Die hat Hasen, Nele, supersüß, Marco hat mir auf seinem Handy Bilder …« Leider verschluckte sich Renate jetzt ganz fürchterlich. »Moment, muss trinken … also, er hat mir die Bilder nicht zeigen können, aber er hat mir alles ganz genau beschrieben, so dass ich den Hof richtig vor mir sehen konnte, mit den vielen Hortensienbüschen und den wilden Blumen und den Bienenstöcken. Nele, Honig macht sie auch.«
»Vielleicht können wir uns ja ein Glas kaufen?« Schon öffnete Nele die Niveadose, auf der sie saß. »Wenn der nicht zu teuer ist!«
»Ach was, Nele«, war Renate auf einmal richtig heiter. »Die schenkt uns den doch … was denkst duuuu denn?«
»Moment mal!«, richtete ich mich auf und wischte mir den Honig vom Maul, den Renate uns darum schmieren wollte. »Dolomiten?«
Neles Miene war jedoch gefährlich verzückt. Honig und Biodinner, schien sie zu rechnen, und dann auch noch umsonst.
»Aber, aber, aber«, protestierte ich stotternd los und riss die Landkarte aus der Tasche. »Das ist … schaut doch mal …«, hektisch faltete ich die Karte auseinander. »Das ist ein Umweg!« Hektisch radelte nun mein Finger die Straßen ab. »Das ist, das ist, das ist eine regelrechte Extratour, und alles nur wegen diesem Depp?«
Als ich wieder aufschaute, saßen Nele und Renate versöhnt beieinander, und Renate schilderte Nele weiter, welch prächtiger, blumiger Biokräutergarten sie erwartete und welche Tinkturen, und dass die Schwester eine Heilkundige sei, fast so etwas wie eine weiße Hexe, die in Cortina d’Ampezzo die dürren Böden besprach, beackerte und pflegte. »Sie ist so heilkundig, dass die Menschen von weit her kommen, um die Kräuter bei ihr zu kaufen! Mmmh?«
Ich hörte durch Renates Mund Kaa , die Schlange aus dem Dschungelbuch , säuselnd singen: »Vertraue miiiir!«
Bei einem weiteren miesen löslichen Kaffee einigten sie sich darauf, Marco bis Cortina d’Ampezzo mitzunehmen.
»Stuttgart, Ulm, Kempten, Innsbruck … das ist ja fast so weit wie bis nach Italien«, warf ich ein zweites Mal aufgebracht ein.
»Eben!« Nele sah mich an. »Forli bei Bologna! Und da wollen wir doch hin! Oder etwa nicht?« Immerhin, die Chemie im Nescafé löste den Schmierfilm, den der Kochkäse auf meinen Zähnen hinterlassen hatte. Mein Mundraum verwandelte sich jedoch dadurch in eine zähe Moorlandschaft.
»Wenn ihr in meiner Abteilung arbeiten würdet, hätte ich euch schon längst gefeuert.« Erklärte ich den beiden, die noch nie etwas von Projektmanagement gehört hatten. Ich war Milestones, Termine und Abgaben gewohnt, dazwischen eine festgelegte Linie und eine genau definierte Zeit. Wir aber brummten die Route einer verliebten Hummel über den Asphalt.
»Wieso?« Renate zuckte die Achseln. »Wir bleiben voll im Plan, und die Regeln gelten weiterhin. Auch in den Dolomiten werden keine Ausnahmen gemacht.« Nele nickte, als sei nichts geschehen.
Als hätte er das gehört, klopfte Marco an die Tür. Er war von einer derart guten Laune, dass meine noch mehr kippte.
»Hey, cool, ich fahr mit«, freute er sich und setzte Nele übermütig den Blumenkranz von gestern auf. Die Blüten wirkten etwas mitgenommen.
»Und hat dir Renate schon gesagt, dass es auf unserer Reise fast
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