Drei Frauen im R4
ausschließlich Konserven gibt?«, provozierte ich ihn ein wenig. Noch konnten wir das Schauspiel beenden und dennoch eine gute Story mit nach Hause bringen. Stellt euch vor, die Renate, man fasst es nicht, kurz nach Reisebeginn pflückt sie sich einen kleinen Helden, und, na, was denkt ihr, da haben wir den beiden natürlich den R4 samt den Konserven überlassen.
»Das macht nichts«, sagte er und rückte Nele den Kranz zurecht. »Ich versuche sowieso gerade, mich auf Lichtnahrung umzustellen.«
Lichtnahrung, ach so.
Eine halbe Stunde später fand ich mich mit Nele auf der Rückbank des Renaults wieder, jede einen Schlafsack auf dem Schoß. Als Kollektivkleidung waren heute Stufenröcke im Hippielook und darüber farblich nicht passende Muskelshirts vorgesehen. Wie drei Rührkuchen mit Speisefarbe sahen wir darin aus. Rosa und Pink und Gelb und Grün und weitere Farben, die der Regenbogen nicht kannte. Ich war froh, als ich im Wagen saß, denn die Einwohner von Weißenburg starrten uns tuschelnd hinterher. »Oui, oui, das szind sie, die drei Madames mit ihre Knall im Kopf!« Ich drückte mich tief in meinen Sitz, so tief es in einem alten R4 geht. Die Volants des Rockes wurden zu einer Wurst, die unter meinem Hintern drückte, und damit hatte ich noch Glück. Nele saß auf der gefalteten Picknickdecke, weil sie die Kleinere von uns beiden war. Es galt, Platz zu sparen, wie und wo immer das auch ging. Renate und Marco hatten es da schon bequemer. Die saßen vorn, und nur der Gitarrenhals trennte das junge Glück. Ich fingerte mir meinen Walkman aus dem Rucksack und griff wahllos eine der Kassetten, die zwischen den Büchern in der Kiste lagen. Es waren alte Radioaufnahmen vom Frauenarzt von Bischofsbrück. Der Frauenarzt war eine schräge Hörfunkserie gewesen, die auf SDR 3 gelaufen war. Ich wusste, sie hatte bis heute ihre Fans.
»Auf der anderen Seite ist die Metzgersgattin Else Stratmann drauf, du weißt schon«, brüllte mir Nele durch die Kopfhörer zu. Die Metzgersgattin aus Wanne-Eickel – auch die war damals Kult gewesen. Wir waren so begeistert von den Radiokabarettisten in den 80ern gewesen, dass jeder, der ein Radio mit Rekorder hatte, hektisch auf Aufnahme drückte, wenn ein Sketch im Rundfunk gesendet wurde. Sketch. So hatten Gags damals noch geheißen. Dazu gab es Erdbeertee oder Erdbeermilch.
»Anna hat gesagt«, mischte sich Renate ein, während sie kräftig an der Pistolenschaltung zog, »in Wikipedia heißt es, die Einschaltquote war damals dermaßen hoch, dass in Mannheim fast das Stromnetz zusammenbrach. Angeblich gibt es sogar ein Aktionsbündnis, das die Reihe im Radio wiederbeleben will.«
Ich setzte den Kopfhörer fester auf und klickte um zu Elke Heidenreich, die das Alter Ego von Else Stratmann war, oder vielleicht war es auch umgekehrt. Ich lachte laut los, als sie von Willi und der ausgebeulten Buxe schnatterte – mein Wolfgang hing auch an seinen alten T-Shirts, als würde noch der Schweiß seiner Ahnen daran haften. Bei dem Gedanken an Wolfgang musste ich lächeln. Ich liebte ihn so sehr, er hatte alles, was ich an Männern mochte. Inklusive einem kleinen Schuss, der ihn zu einem wilden Kreativen machte. An meiner Liebe zu ihm hatte sich trotz einiger Turbulenzen in all den Jahren nichts geändert. Wenn sich etwas verändert hatte, dann dass ich mit Nele und Renate nicht mehr ständig über Liebe und Männer sprechen musste. Früher war das unser Hauptthema gewesen. Will er mich oder will er mich nicht, und was kann ich machen, damit er mich will, und was mache ich, wenn ich ihn dann nicht mehr will? Nele und ich waren gebunden, und Renate war irgendwie in between oder wie man heute dazu sagte, wenn eine nicht wusste, was sie von der Liebe wollte.
An den Straßenschildern erkannte ich, dass es erst einmal in Richtung Memmingen und weiter nach Kempten ging. Ich rechnete mir aus, dass wir am Abend in Cortina d’Ampezzo ankommen würden. Das Straßennetz ist ja im Schwäbischen gut ausgebaut, weil hier viele Autos gebaut werden und daher viel Platz für die Jahreswagen sein muss, die hier Gassi geführt werden. Aber Bundes- und Landstraßen sind die Pest. Mit meinem Peugeot hätte ich die Strecke in knapp sieben Stunden hinter mich gebracht, Fuchur würde wahrscheinlich neun oder zehn Stunden brauchen. Auch Marco schien das so zu sehen. Entsprechend unruhig wippte er mit dem Knie.
Als wir vor Ulm im Stau standen, zückte er das Smartphone, um seiner Schwester Marietta unbemerkt
Weitere Kostenlose Bücher