Drei Frauen im R4
eine SMS zu schicken. Weder Nele noch Renate bekamen davon etwas mit. Bei mir war das anders. Ich habe für Smartphones ein Gespür, ich kann es förmlich riechen, wenn sie im Raum sind, und spüre ihr leises Vibrieren nach dem Netz. Ahhh, fünf Striche, der volle Empfang! Hypnotisiert streifte ich mir den Frauenarzt von den Ohren und äugte zu dem Telefon. Marco hielt die neueste Generation in Händen, das konnte ich von der Rückbank aus erkennen. Sofort reagierte ich mit erhöhtem Speichelfluss. Was für ein Gerät! Nur einmal fühlen, dachte ich, nur einmal mit dem kleinen Läppchen über das Display streichen, damit es ohne Schlieren ist. Nele döste, und Renate stierte auf die Fahrbahn. Sie würden es nicht merken, wenn ich das Handy nur einmal in die Hand nahm, es küsste und dann vielleicht eine klitzekleine SMS schrieb. Wie viele Nachrichten hatte ich seit gestern wohl erhalten? Und wie viele Menschen fühlten sich von der automatischen Antwort abgeschreckt? Traumatisiert? Im Stich gelassen? Hallo, ich antworte erst in vierzehn Tagen, es sei denn, ich finde ein verschwiegenes Internetcafé.
Mein Hals wurde lang, wie der von einem Ameisenbär, und meine Augen traten hervor. Unkontrollierbar fummelte sich meine Pfötchenhand zwischen den Vordersitzen durch. Ein Smartphone, ein Smartphone, und ich habe es entdeckt!
Genau in dem Moment, als ich zu sprechen ansetzte, wurde Nele wach und richtete ihre Aufmerksamkeit nach vorn.
»Ey«, rief sie und stupste Marco unsanft gegen die Schulter. »Das geht hier nicht, das ist verboten.« Marco sah verunsichert zu Renate hinüber.
»Lass das«, gebot auch die ihm knapp. »Mach’s aus und steck’s weg, und zwar sofort!«
»Mannomann«, stöhnte Marco genervt und ließ das Smartphone in die Tasche seiner Sommerhose gleiten. Ich hechelte noch ein bisschen nach. Nein, nein, nicht, dachte ich, komm wieder raus, du kleines, süßes Teil!
»Frauofrau«, nuschelte ich enttäuscht.
»Du hast das Ausschalten vergessen!«, puffte Nele Marco an.
»Wie seid ihr denn drauf?«, schimpfte er los, holte das Phone wieder raus, stellte es aus, zeigte es Nele, der heiligen Inquisition, und pustete sich entrüstet ein paar Locken aus der Stirn. »Krass!«
Als das Smartphone wieder in der Tasche verschwunden war, entspannte Nele unverkennbar. »Übrigens, Marco hat die Beifahrertür heute früh problemlos aufbekommen. Problemlos«, teilte sie mir im Plauderton mit.
»Marco ist ja auch ein Mann«, antwortete ich und konnte nicht glauben, dass ich diesen Satz ausgesprochen hatte. Aber es stimmte. Das zeigte sich zum Beispiel daran, dass er nur einen Rucksack bei sich hatte. »Er heißt Toby«, hatte Marco uns am Vorabend erklärt und zärtlich über das abgewetzte Leder gestreichelt. Ich fand das ziemlich albern, aber wenn man seinen Autos Namen gab, konnte man sich schlecht über jemand lustig machen, dessen Rucksack »Toby« hieß.
»Wo ist eigentlich das Navi?« Marco schaute suchend aufs Armaturenbrett und durchwühlte den Stauraum vor seinem Sitz. Aber er fand nur den Karton mit den Kassetten. Zielsicher griff Renate Ton Steine Scherben heraus. Marco legte den Kopf schief und wippte ein paar Takte mit.
»Hey«, sagte er dann anerkennend, »gar nicht schlecht. So rockig.«
Rockig!
»Was hörst du denn so?«, fragte ich Marco, und er zählte Clueso und Jupiter Jones auf. Das waren die Klaus Hoffmanns und Reinhard Meys von heute, das wusste ich schon. Gerade wollte ich mich näher erkundigen, da stockte Fuchur plötzlich und schepperte leise. Ich spitzte ängstlich die Ohren. »Habt ihr das gehört?«
Aber alle schüttelten mit dem Kopf. Marco hatte Geschmack gefunden und wühlte weiter in den Tiefen unserer Musik. Nach Ton Steine Scherben war Ulla Meinecke dran und dann Stephan Sulke.
»Schieb doch mal Crosby, Stills, Nash & Young rein«, forderte ich Marco auf, als auch Sulke fertig gesungen hatte. Crosby, Stills, Nash & Young war bester Folk, und genau nach dem war mir in diesem Augenblick. Marco hob die Schachtel mit den Kassetten auf seinen Schoß und suchte darin.
»Muss auf der Kassette stehen«, wies ihn Renate an und deutete dann mit großer Geste auf das Panorama vor uns: Berge, Wiesen, Kühe.
»Kinder, isses nicht schön?«, rief sie, und Nele und ich antworteten im Chor: »Zu, zu schön!«
Mit unserem kleinen Singsang konnte Marco nichts anfangen, und es war selbst mir zu viel, ihm das zu erklären. Wie will man denn Tadellöser und Wolff in fünf Worten
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