Drei Frauen im R4
Schließweise versprach zudem einen flachen Bauch, und die Hosenbeine waren mit goldenen Bündchen verziert. Nur die Glöckchen, die einst daran geklungen hatten, hatte jemand abgetrennt. Plansicher schnitt ich an meiner türkisfarbenen Bluse die Glöckchen ab, um sie an die Hosenbeine zu nähen. Dann schlupfte ich in die grüne Indienbluse und hielt mir mit einer Hand die Haare hoch. Mit dem Hintern wackelnd, drehte ich mich auf Knien aus dem Zelt und baute mich sogleich wie eine orientalische Tänzerin vor Nele und Renate auf.
»Wir machen Musik!«, rief ich freudig aus. »Diese Idee ist mir gekommen!«
»Jetzt dreht sie durch«, verkündete Renate in Richtung Nele, »das war alles zu viel, ich glaube, sie braucht ganz dringend einen Schnaps.«
Ich blieb stehen und ließ noch mal die Hüften kreisen.
»Hey, erinnert ihr euch denn nicht?« Wie eine Tempeltänzerin wand ich die Arme in der Luft. »Wir machen Straßenmusik! Landau 1981 – könnt ihr euch erinnern, und seid ihr bei der Idee dabei?«
Es war klar, dass Renate und Nele sofort wussten, was ich meinte. Beide sprangen auf, umarmten mich und stiegen sofort in den Plan mit ein.
»Wir brauchen auffallende Kostüme«, rief Renate aus.
»Die Lieder müssen zum Mitsingen sein, das funktioniert, das kenn ich aus dem Kindergarten.« Nele war ganz aus dem Häuschen und sprang in die Luft.
»Wir müssen üben.« Ich erinnerte die beiden daran, »dass wir zwar fit, aber nicht mehr in Form sind«, und ich fürchtete mich ein wenig vor der nächsten halben Sache, die möglicherweise drohte.
Kapitel 13
Ich will Gesang, will Spiel und Tanz
- Klaus Hoffmann -
Es klang nicht sonderlich gut, aber auch nicht direkt schlecht, als wir zu später Stunde die ersten Lieder probten.
Um warmzulaufen, tauchten wir mit aufmerksamen Ohren in die Songs der 80er Jahre ein. Nele hatte einen kleinen Lautsprecher an ihren Walkman gehängt, und wir hörten von einer durch Hitze eingewellten Kassette Mike Oldfield, Ludwig Hirsch, Kate Bush, Rickie Lee Jones und Ina Deter.
»Frauen kommen langsam, aber gewaltig«, pushte uns Letztere auf. Wir konnten die meisten Lieder jetzt wieder mitsingen. Auch die Stelle bei Neue Männer , wo Ina Deter ihr Publikum aufforderte, selbst kreativ zu werden.
Ich sprüh’s an jede Wand …
Tolle Frauen hat das Land.
Auf Helmut Kohl gibt’s Flaschenpfand.
Keine Raketen braucht das Land.
Furchtlos zupfte Renate auf der Gitarre die ersten Lieder mit. Ihre Finger taumelten dabei ein wenig wild umher, weil ihr zwar C-Dur, e-Moll und F-Dur sehr geläufig waren, Melodien aber in der Regel auch noch andere Akkorde brauchen.
»Gehört da nicht eher ein D-Dur hin?«, frotzelte ich vorlaut und erhielt zur Antwort ein »Schnauze, Fury!«, was auch aus einer Radioserie stammte.
Der Mond ging auf, wir rauchten trockenen Tabak, Fips heulte, weil die Drops alle waren, und Nele richtete uns leckere Ölsardinen auf einem Teller mit Schwarzwurzeln aus der Dose an. »Prächtig geht’s uns!«, schwellte es mir aus der Brust, und ich konnte es nicht fassen, dass ich es war, die diese Worte sagte.
Horst schaute zwar einmal vorbei, und auch der Pfeifenraucher winkte uns fröhlich zu und schien auf eine Einladung in unsere Runde zu warten, doch für heute war klar, dass wir zu dritt bleiben würden, weil manche Abende einfach Freundinnen allein gehören. »Fips hat Glück, dass er bleiben darf«, befand Renate und öffnete eine Flasche Wein.
»Aber er ist doch noch keine zwölf«, wunderte sich Nele, womit sie darauf anspielte, dass früher die Jungen zu Frauenfrühstücken und in die Frauenpensionen mitdurften, so sie noch im Kindesalter waren.
»Fips ist achtmal älter, als du denkst«, rechnete ich genauer nach, aber wir einigten uns darauf, dass es o.k. war, wenn er blieb, auch wenn Fips in Menschenjahren streng genommen bereits ein Macker war. Ein Macker auf vier Pfoten.
»In den letzten Tagen«, unvermittelt wechselte Renate das Thema zu mir, »hast du gar nicht mehr nach einem Internetanschluss gefragt.«
»Weil hier alles ganz außergewöhnlich lebendig und undigital ist. Wir führen sozusagen ein 3-D-Leben«, philosophierte ich. »Wie viele Freunde ich bei Facebook habe, interessiert ja nicht mal mich!«
In all dem technischen Gedöns, den tausend Wegen der Kommunikation, lag für mich der Grund, warum wir uns, zugegebenermaßen auf chaotische Weise, wieder sehr nahegekommen waren.
»Und dabei hatten wir nicht einmal gemerkt, dass wir uns fast
Weitere Kostenlose Bücher