Drei Frauen im R4
verloren hatten«, meinte Nele und tat etwas Ketchup auf ihr Ölsardinenbrot, weil wir früher auch immer versucht hatten, schlechtes Essen mit Ketchup zu verfeinern.
»Das geht ja auch vielen Männern so«, erklärte uns Renate und verwies auf den alten Spruch »Eigentlich dachte ich, meine Ehe ist glücklich, bis mich meine Frau einfach verließ«.
»Einfach«, meinte Nele. »Einfach isses ja nie.« Und ich merkte, dass sie sich gar nicht fürchtete, in ein Fettnäpfchen zu treten. Renate und ihr Lover. Wir würden sehen, welche Wendung auch diese Geschichte noch nahm.
»Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber so viel kann ich sagen: Es muss anders werden, wenn es besser werden soll«, zitierte Renate Georg Christoph Lichtenberg und ließ dazu laut die Gitarre aufjaulen. Genau, dachte ich. Auch wir waren auf dieser Reise aneinandergerumst. Wir hatten uns gestritten. Wir hatten geheult, wir hatten gefeiert, und alles fing an, besser zu sein, weil wir es anders werden ließen. Mehr Output ist nicht möglich, dachte ich schon wieder ganz verkopft, merkte es aber gleich und ersetzte den hohlen Output durch sattes Glück. Welch alberne Wörter ich im Job doch gelernt hatte.
»Also, morgen schlagen wir dann in der Luzerner Fußgängerzone auf«, amüsiert formulierte ich, wie meine Kollegen unseren Auftritt beschreiben würden.
Eine Session in einer Fußgängerzone! Das letzte Mal hatten wir uns das in Aix-en-Provence getraut. Jung und bunt, hatten wir uns mit Bob Dylan, Donovan, Trude Herr, den Stones und Beatles tatsächlich ein paar Francs verdient. Jetzt, etwas älter und breiter in den Hüften, waren vielleicht die Beatles nicht die beste Wahl, um sich als Girlieband zu produzieren, höchstens wir stiegen mit dem Song I’m the Walrus ein.
»Old-Women-Band«, berichtigte mich Renate und stopfte sich ein Pfeifchen, das ihr der Nachbar überlassen hatte. Sie begann zu brainstormen, wie wir als Truppe heißen würden. »Missis Lucky? Das klingt doch gut!«
»Du machst mir Angst!« Nele zog ihre Augenbrauen hoch.
Ich fand, dass Missis Lucky sehr ansprechend klang. »Aber der Name passt nicht zu unseren Klamotten!« Demonstrativ ließ ich das Glöckchen an meinen Pluderhosen klingen. »Jeder denkt doch sofort an die Kelly Familie, wenn man uns in diesem Aufzug sieht.«
Renate wedelte meinen Einwand geschäftig weg. »Lasst uns lösungsorientiert und nicht problemorientiert denken!«
»Wie wär’s mit Sommerwunder? Sommerfolk? Frauentraum? Mädchenglück?«
Bei aller lösungsorientierten Kreativität und Selbstschmeichelei, ganz so wie Mädchen sahen wir nun wirklich nicht mehr aus.
»Wir brauchen einen Namen, der zu uns passt, eine Identität«, erklärte Nele bestimmt und rollte ihre Augen nach links oben, weil man mit diesem Blick besser denken und spinnen kann.
»Bambolinas?«, kam mir als Idee, weil man so in Italien mollige Frauen nennt, die noch immer etwas von einem kleinen Mädchen haben.
»Also sag mal!«, entrüstete sich Renate. »Bambolinas, das klingt ja direkt chauvinistisch und ist überhaupt nicht sexy. Dann können wir ja gleich bei We are the walrus bleiben.«
Stimmt, dachte ich, wir müssen sexy wirken, sonst hört kein Mensch unseren Liedern zu. Und ich strich mir schon mal die grüne Indienbluse glatt.
»Aber wir sollten dabei feministisch bleiben«, forderte Nele.
»Vor allen Dingen sollten wir üben!«, erinnerte ich uns wieder daran, dass uns nur noch wenige Stunden blieben, wollten wir den Schweizer Feiertag für unseren Auftritt nutzen. »Es werden eine Menge Touristen in die Stadt kommen, die sollten wir anziehen und nicht vergraulen.«
»Wie wär’s mit Missis Eightyone?«, platzte es gleich im Anschluss aus mir heraus. Missis Eightyone. Dieser Name traf uns als Musikerinnen noch am besten! Und der Name passte auch zu der Mucke, die wir beabsichtigten zu spielen.
»Yes!«, johlte Renate mit der Gitarre auf, und Nele ließ die Maultrommel erklingen. »Hilfe, eine Maultrommel! Welche Instrumente birgt dieser kleine Kasten denn noch?« Ich warf einen Blick hin zu Fuchur, der pompös mit offenem Kofferraumdeckel glänzte
On the road again, interpretierte Renate einen Song von Willie Nelson, der aber nur mit viel gutem Willen zu erkennen war.
»Au, ist das schräg!«, jaulte Nele auch schon auf und hielt sich schnell die Ohren zu.
»Also wirklich!« Mir ging es genauso.
Renates Gitarre hätte tatsächlich eine professionelle Stimmung
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