Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
Vom Netzwerk:
von Ihrem Spüli abgeben?«, wanzte ich mich an den Menschen am Nebenbecken heran und tat dabei so verschwörerisch, als ginge es bei meiner Frage um ein freizügiges Männermagazin.
    »Trudi!«, fauchte sofort Nele.
    »Na, Ihre Freundin ist aber streng mit Ihnen«, lachte Meister Proper mich vom Nebenbecken an. »Wenn der Ton bei Spüli schon so hart angeschlagen wird, was geschieht dann erst, wenn ich Ihnen mein Duschgel leihe oder Sie Ihren süßen Button ablegen. Wow! Frauenzeichen, und dann auch noch in Lila!«
    Er machte sich ein bisschen größer, als er war, und straffte das T-Shirt dabei über seiner Brust. Es trug die Aufschrift »Echter Schwabe«, und ich verstand sofort, wieso seine Treter schon so ausgelatscht aussahen. Nele findet die sicher optimal, dachte ich, konnte aber nicht darauf zeigen, denn die Hand vom Weißen Riesen schnellte erst zu Nele, dann zu mir.
    »Aber ich glaube, als Camper ist man ja per du. Ich bin der Horst, und wer seid ihr?«
    Horst!
    »Das Wetter ist doch heute super …«, wartete Horst unsere Namen nur kurz ab. »Als Pfadfinder muss man da natürlich wandern. Früher haben wir dabei natürlich auch gesungen. Und wenn wir was brauchten, dann sangen wir anderen Menschen einfach etwas vor, und schon hatten wir wieder Geld.«
    »Ach ja …«, vernahm ich Nele, die sich nicht entscheiden konnte, ob sie Horst schöne Augen machen durfte oder nicht. Erst einmal putzte sie die Gabeln blank und hielt einen der Plastikteller prüfend in die Höhe. Na, dadurch war vielleicht viel zu sehen!
    »Ja, ja«, säuselte sie, was ich erstaunt bemerkte, »früher war alles besser, auch die Wanderungen und die Ideen. Und die Wandermusiker sicher auch.«
    In meinem Kopf schalteten in diesem Augenblick jedoch zwei Synapsen.
    Geld … singen … beide Wörter fügten sich zusammen, und Bilder stiegen in mir auf, in denen Renate zu sehen war, wie sie in der Fußgängerzone von Landau die Klampfe spielte und ich und Nele dazu tanzten. Wenn unsere WG -Kasse damals wie leergefegt war, hatten wir uns mit den Beatles und Marmor, Stein und Eisen bricht einfach in der Fußgängerzone breitgemacht. Wir hatten gespielt und gesungen, und zwar all das Zeug, das sich gut spielen ließ und textlich nicht so mühsam war. Viel eingenommen hatten wir freilich nicht, und Dieter Bohlen hätte uns verbal verdroschen, aber immerhin, jeder Auftritt brachte etwas ein. Nicht nur wir, auch die anderen machten das so. Das meiste Geld sammelte allerdings so eine mittelalterlich gekleidete Folkloreband in ihrem Hut, die Verse von Walther von der Vogelweide sang. Wenn wir uns damals mehr Mühe gegeben hätten, etwa mit einem ausgeklügelten Repertoire, dann hätten auch wir mehr Spenden einsingen können. »Das wäre eine Idee, die passt«, lächelte ich und bemerkte freudig, dass Horst mit seinen Wandererzählungen das Grau aus Neles Stimmung nahm. Schon lud er sie ein, ihr Genaueres über die Dolomiten, den Jakobsweg und Barfußwandern zu erzählen. Und natürlich führte er bei keiner seiner Exkursionen jemals ein Handy mit sich.
    »Also, der Horst ist vielleicht einmal ein kluger Mann«, staunte Nele. Als wir aus dem Waschhaus traten, war die Luft ein bisschen klarer, und ich erfreute mich an der Sonne und dem Blau des Himmels.
    Wir werden singen, dachte ich, und war mir sicher, dass das die Lösung all unserer Probleme war, aber ich würde das erst im Beisein von Renate sagen.
    »Na, was seid ihr denn mit einem Mal so aufgedreht?«, funkelte uns Renate an, weil sie befürchtete, etwas zu verpassen. Atemlos berichtete Nele ihr von Horst und dass er zu Fuß und nur mit Kinderrucksack auf viele seiner Reisen ging. Renate hockte wie Huckleberry Finn unter einem Baum und paffte eine selbstgedrehte Zigarette, in deren Tabak sie eine Prise Muskatnuss reingerieben hatte. Die Mischung schmeckte wie Weihnachten in der Nase. Sie hielt einen Reiseführer von Norditalien auf den Knien und war nun doch etwas enttäuscht.
    »Italien ist schon ein Traum«, meinte sie und zeigte uns schwarzweiße Bilder, auf denen kaum Autos zu sehen waren, weil es die 1960 noch nicht in der heutigen Fülle gab. Ich ließ Fips endlich aus dem Zelt, kroch selbst hinein und suchte meine Pluderhosen, in denen, so überlegte ich bereits gezielt, würde ich mich besonders gut als Frontsängerin machen. Die Hosen waren trendig, in Bordeauxrot gehalten, wie alles damals bordeauxrot gewesen war, wenn man modisch ganz weit vorne liegen wollte. Die seitliche

Weitere Kostenlose Bücher