Drei Frauen im R4
So ordentlich jede daheim auch ihren Haushalt führte, hier in Luzern waren wir kleine Schweine. Verstreut lagen Gläser, Tassen und Teller um unser Zelt herum, und von den wenigen Löffeln, die wir besaßen, war einer schon mal nicht mehr zu finden. Sicher hatte den Maiki aus Versehen hinters Ohr geklemmt. Ich hörte Nele leise darüber fluchen. Renate lag im Gras, die Beine angewinkelt, das eine Knie über das andere gelegt, ihr freier Fuß wippte, und eine Margerite tanzte am Stängel aus dem Winkel ihres Mundes. So sah also Meditieren auf Pfälzisch aus.
»Ich hab’s«, rief sie uns nach wenigen Minuten zu. »Wir bleiben einfach da. Keiner zwingt uns, nach Forli zu fahren, wir können die Route doch selbst entscheiden!«
Aber Nele war schon mit Kernseife, Geschirrbürste, den Töpfen und Tassen bewaffnet unterwegs. »Einmal hätte ja auch was so zu Ende gehen können, wie man es plant«, zeterte sie vor sich hin. »Wie hätten die Mädchen uns bewundert.«
Ich hatte das nicht. Ich hatte mich vor nichts und niemand mit dieser Reise gebrüstet, weil ich sie nämlich nicht gewollt hatte. Offenbar war die Zeichnung im Sand für Nele mehr als nur ein Weg gewesen. Es war eine Route, es war ein Plan, der nun zu scheitern drohte.
»Was würde denn passieren, wenn wir nicht nach Italien kämen? Renate sieht das doch ganz locker.« Meine Frage klang vielleicht eine Spur zu therapeutisch, aber ich hatte in einem Selbsthilfebuch gelesen, dass sich nur etwas verändern kann, wenn man die Phantasien rund um ein Projekt betrachtet.
»Ich habe einfach zu vielen Leuten davon erzählt«, erkannte Nele bitter. »Das macht mir jetzt einen echten Druck.«
»Hast du mit uns angegeben?«, versuchte ich zaghaft zu spötteln, was nie eine gute Idee ist, wenn jemand enttäuscht in den Seilen hängt.
»Was heißt hier angegeben«, flog mir meine unbedachte Äußerung auch schon um die Ohren. »Das hab ich nicht!« Nele stampfte so hitzköpfig auf, dass ihr der Staub bis zu den Knien wehte. »Aber es ist doch so, dass wir uns das so schön ausgemalt hatten mit der Kooperative und dem Maurizio.«
O Gott, diese Kooperative und dieser Maurizio, das war echt ein Knochen, der ihr nur ganz schwer aus dem Maul zu nehmen war.
»Aber wir wissen doch gar nicht, ob es die noch gibt«, versuchte ich sie zu beruhigen.
»Aber ich hab es sehen wollen!«
Eine zweite Staubwolke gesellte sich zur ersten, diesmal mit einer Reichweite bis zum Po. Mit dieser deutlichen Wolke erledigte sich auch meine Idee, daheim einfach zu erklären, dass wir in Italien gewesen wären. Zu überprüfen war das ja nicht. Wir konnten mit dem R4 überall gewesen sein, von Sylt bis Mailand und über Madrid zurück.
Nele war dafür unerreichbar. Allein um sie glücklich zu machen, wäre ich jetzt gerne mit ihr, Renate, Fips und Fuchur weiter in Richtung Meer gerollt.
Folgsam, wie eine brave Ente, trippelte ich hinter ihr zum Waschhaus hin. »Ich kann uns das Geld doch schicken lassen«, griff ich Maikis Gedanken wieder auf. »Dann dauert es eben einen Tag länger, was macht das schon in unserer Situation?«
»Es sind mehr Tage, weil du das Wochenende vergessen hast«, klärte mich Nele buchhalterisch auf. In meinem alten Leben war es für mich ein Leichtes, das gefressene Geld in der Dose zu ersetzen. Ein Anruf genügte, wenn man so will. Aber gegen einen Feiertag mit anschließendem Wochenende kam auch meine Sparkasse nicht an.
»Das Geld per Blitzüberweisung schicken zu lassen passt außerdem absolut nicht ins Konzept! Das wäre eine echte Niederlage. Damit braucht ihr mir gar nicht zu kommen, und es ist dabei egal, von welchem Konto das Geld abfließt.«
»Um Himmels willen!«, fuchtelte ich genervt mit einem Lappen. »Dann verrate mir doch bitte, was wir machen können, damit wenigstens deine Laune wieder steigt.«
Vergebens, Nele hörte mir nicht zu.
»Ich glaub’s nicht, ich glaub’s nicht«, lamentierte sie in Dauerschleife weiter. »Frisst der Hund das ganze Geld, und jetzt wird er nicht mal abgeholt!«
Sie wuchtete die Plastikschüssel mit unserem Geschirr auf das Abstellblech. Brav versuchte ich mich wenigstens als Haushaltshilfe nützlich zu machen und bemühte mich, mit Hilfe der Kernseife die angebrannte Kruste von unserem Topf zu lösen. Der Mist ging nicht ab. Was immer auch für Binde- und Klebemittel in der Soße gewesen waren, allein mit Bürsten ging der Mist nicht raus, und Terpentin hatten wir leider nicht dabei.
»Würden Sie mir etwas
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