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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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Wein in unserer Speisekammer waren. Wenn gar nichts mehr geht, dachte ich, dann dudeln wir uns eben einen an! Andererseits war ich auch etwas konfus, weil ich keine Ahnung hatte, was nun als Nächstes kommen könnte.
    Fest stand nur, dass unser Zelt auf dem Boden dieses Campingparadieses klebte wie ein Kaugummi unter einem Autositz. Wenn auch nichts sicher war, dieser Campingplatz war es wohl. Renate und Nele hatten mit Entrüstung der Beichte von Sonja aus meinem Mund gelauscht. »Es gibt keine Gritli, und diese Greta spielt für uns keine Rolle«, weihte ich sie endlich ein. »Alle beide sind geplatzt!« Das Schweigen, das auf uns herunterfiel, hätte eine Ladung Mehl sein können. Es dämpfte alles und puderte uns ein. Kein einziger Gedanke war in den Gesichtern von Nele und Renate zu erkennen, nur ihre Augen, die dunkel und furchterregend aus den weißen Gesichtern stachen.
    Nele gefiel mir gar nicht, wie sie ernüchtert in der Hocke dasaß. Der schmierige Straßenatlas lag neben ihr.
    »Diese Schwindelei hat uns ganz schön aufgehalten«, zog sie die Route wieder und wieder mit dem Rädchen nach. »Da ist Bologna, und hier ist Forli, wo damals Renates Kooperative war. Das wäre vielleicht in einem Tag zu schaffen.« Ich setzte mich neben Nele in den Sand und rechnete die Kilometer nach. Renate brühte derweil Getreidekaffee für uns auf.
    »Aufgeregt sind wir schon von alleine, da braucht es nicht auch noch Koffein«, sagte sie, als sie jeder einen Becher gab.
    Getreidekaffee war für mich so ziemlich das Allerletzte, und Renate wusste das genau. Ich nahm einen Schluck und schmeckte vorsichtig der Brühe nach. Nur mit viel gutem Willen konnte ich Kaffeegeschmack darin entdecken, wie auch vegetarische Brätlinge aus dem Bioladen ja irgendwie nach Hackfleisch schmecken, wenn man es denn schmecken will.
    »Das ist Mannheim«, zeigte Nele auf einen Kieselstein, den sie an den Beginn einer gezeichneten Route legte. Mit dem Finger malte sie eine geschlängelte Route in den Sand. »Etwa so sind wir bisher gefahren.«
    »Hier ist unser erster Stopp in Weißenburg«, positionierte nun auch Renate einen Stein.
    »Genau hier, in Weißenburg, hier sind wir von der Route abgekommen.«
    »Und du bist schuld«, maulte ich freundlich zu Renate hin.
    »Es ist gekommen, wie es kam«, versuchte Nele das Beste in dem Stopp zu finden. »Wäre Marco nicht bei uns eingestiegen, hätten wir Fips niemals gefunden.« Was sie sagen wollte, war, dass das Schicksal viele Möglichkeiten kennt, wenn es einem sagen will: »Nein, Schätzelein, nicht rechts herum, du machst jetzt erst eine Pause, und dann geht es nach links.«
    »Wenigstens haben wir dort gut geschlafen, im Vergleich zu den harten Böden, die danach kamen«, erinnerte ich mich an das modrige Bett in der alten Stube, das rückblickend gar nicht so schlecht war, wie es mir damals schien.
    »Die Nacht auf der Wiese war aber schon schön«, verteidigte sich Renate, obwohl niemand sich beschwerte.
    »Das ist eine persönliche Ermessenssache«, meinte Nele kühl. »Ich sage nur«, sie maß die Strecke sachlich mit dem Daumen, »wir sind bisher noch keine dreihundert Kilometer gefahren.«
    Wir hatten aber allerlei erlebt, und Reisen war doch mehr als nur Kilometer schrubben.
    »Eine Reise gleicht einem Spiel. Es ist immer etwas Gewinn und Verlust dabei – meist von der unerwarteten Seite«, brachte ich mit einem Zitat Goethe in die Runde.
    »Von der Wiese ging es nach Luzern, und jetzt sitzen wir seit …«, Nele zählte unbeeindruckt die Schweizer Nächte an den Fingern ab, »vier Tagen hier fest, mit dem Ergebnis«, sie sah mich an, »nun kein Geld mehr zu haben. Bald müssen wir wieder zur Arbeit, und wir haben unser Ziel noch immer nicht erreicht. Wenn wir wirklich in die Gegend von Bologna wollen«, wieder radelte das Rädchen über die Karte, »sind das etwa fünfhundert Kilometer.«
    »Vielleicht brauchen wir jetzt erst einmal eine Denkpause«, meinte Renate. »Fest steht, wir brauchen Kohle und wissen nicht, wie wir die Kasse füllen können. Am besten gehe ich mal darüber meditieren.«
    »Tja, dann werde ich wohl mal den Haushalt machen.« Nele wischte mit der flachen Hand die Route vor sich weg und erhob sich mit einem hauswirtschaftlichen Ächzen. »Das haben ja auch die Nonnen schon so gemacht, beten und arbeiten. Hilf dir selbst, dann hilft dir Göttin.«
    »Du darfst ruhig Trudi zu mir sagen«, griff ich einen alten Witz auf und half Nele beim Einsammeln des Geschirrs.

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