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Drei Frauen im R4

Drei Frauen im R4

Titel: Drei Frauen im R4 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christine Weiner
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gutgetan, auch wenn es nur Hippiegedudel war, was wir hervorbringen würden.
    »Jetzt hör doch mal.« Ich summte ihr etwas vor. »So muss das klingen.« Energisch stimmte ich The cost of freedom von »Cosy« an, bei dem es gar keine Begleitung brauchte, weil es sich bei dem Lied um einen A-cappella-Song handelte, der für uns drei auch ohne Gitarre kaum zu singen war. Wenn das David Gilmour hören würde! Aber auch die anderen Zuhörer taten mir leid, ich mir selbst an erster Stelle. Es gibt ja nichts Schrecklicheres als halbprofessionelle Auftritte, das erlebte ich daheim ja tagtäglich bei meinem Chef. Immerhin ging es uns ja nicht nur um einen Auftritt aus Langeweile, sondern wir wollten einen vollen Hut heimbringen.
    »Alles in allem werden wir mindestens zweihundert Franken einsingen müssen.« Ich sah zu Nele hin. »Was für ein Segen, dass du wenigstens Urs schon Geld rübergeschoben hast!« Ja, Neles Angst vor Geldklau verdankten wir, dass zumindest unsere Nächte schon bezahlt waren.
    »Aber es liegen halt noch mehrere Tage und eine ganz schöne Strecke vor uns«, erinnerte Nele uns daran, dass man auch mit zweihundert Franken nicht weit kommt, wenn schon ein Kaffee vier Franken fünfzig kostet. »Wir müssen noch sparsamer haushalten, und schuld daran bist du!«, schimpfte sie Fips, da half ihm auch nicht viel, dass er freudig auf sie zusprang, um ihr das Gesicht zu lecken.
    »In Hermans Namen«, betete sie zum Himmel.
    »In Hermans Namen!«, versicherte ich ihr fest.
    »Mal abgesehen von den Tönen, was mache ich, wenn ich einen Hänger habe?«, weihte uns Nele in ihre Ängste ein. »Ich bin nicht besonders textsicher, das habt ihr ja schon gemerkt.«
    Ja, das stimmte. Obwohl wir das Lied doch in- und auswendig kannten, war Nele bei Hannes Waders Bin auf meinem Weg immer wieder neu hängengeblieben und hatte die Lücken provisorisch mit einem schunkelnden Lalala geflickt.
    »Soll ich das am besten immer so machen, wenn ich nicht mehr weiterweiß?«
    »Das geht so nicht!«, echauffierte sich Renate. »Wir sind schließlich nicht beim Äppelwoi! Schunkeln, das ist gar nicht drin. Wenn schon, dann müsst ihr da vorne tanzen!«
    Ihr da vorne! Sie saß natürlich geschützt im hinteren Teil der »Bühne« und spielte dort die Gitarre, und wenn bei ihr was schiefging, dann durften wir das tanzend ausgleichen. Leider hatten aber auch unsere Tanzeinlagen nicht annähernd die Qualität, die unsere Hüftschwünge mit zwanzig gehabt hatten. Wirkliche Ablenkung würden wir nur mit Mühe schaffen. Auch auszuflippen, wie wir früher Headbanging genannt hatten, sah in unserem Alter ziemlich peinlich aus.
    »Bülent Ceylan macht das aber auch!«
    »Ist Bülent Ceylan vielleicht fünfzig, und trägt er eine lila Latzhose mit geballter Faust?«
    »Nein«, gab Nele klein bei.
    »Das heißt für uns, dass die Noten und Strophen einfach sitzen müssen!«, befahl Renate. Sie sprach uns noch einmal zum Mitschreiben vor: »… bin müde und schwer, will nach Süden ans Meer! Meine Güte, das kann doch nicht so schwer sein.«
    »Aber irgendwie müssen wir uns auch dazu bewegen«, verzog Nele nachdenklich ihren Mund.
    »Lass mich mal machen«, beruhigte ich sie. Ich wusste, wenn ich erst einmal richtig in Fahrt kam, dann würde Luzern etwas erleben.
    » Ich wünschte, es wär mal wieder Sommer «, sang ich laut Herwig Mitteregger, fasste Nele an den Händen und drehte mich mit ihr wild im Kreis. » Ich fang ihn ein und hol ihn dir her! « Ich war nicht naiv, ich wusste, Nina Hagen, Ton Steine Scherben und Wolle Kriwanek so zu singen, dass es gekonnt klang, war aussichtslos, aber ich erinnerte mich auch an den guten Rat, der da hieß: »Fake it, until you make it!« Angesichts unserer Not und des mangelnden Könnens war ich fest entschlossen, diese Empfehlung beim Auftritt, so gut es ging, umzusetzen.
    »Und wenn es nicht klappt, dann gilt die alte Theaterregel: ›Was man nicht verbergen kann, das muss man zeigen.‹ Wenn alle Stricke reißen, dann sind wir eben die in die Jahre gekommenen Clowns vom Zirkus Roncalli. So einfach ist das.«
    » Mir ist heiß, ich bin heiß, ach Gott, warum sind denn nicht alle so heiß …«, versuchte es Renate jetzt mit Nina Hagen und schwang sich in beängstigende Höhen ihrer Stimme. Nele verzog dazu das Gesicht grimassenhaft und tönte aus voller Brust: »Uuuuaaaaaahhhuuaaa!«, damit die Hagen’sche Liedkunst auch möglichst exakt von uns interpretiert wurde. Sie warf sich mit dem Oberkörper

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