Drei Frauen im R4
nehme kein Gläschen mit ins Bett! Ich passe ja schon selbst kaum in die Daunen.«
Noch dreißig Kilometer bis Landau. Dort würde Renate zu uns steigen. Und von dort ging es weiter gen Italien. Nur was diese Reise betraf, bereute ich meinen kinderlosen Zustand. Eine Tochter wäre jetzt hilfreich gewesen. Eine Tochter, die dem kreativen Schub ihrer Wahlcousinen energisch entgegengetreten wäre: »Nee, lasst das mal. Wir schenken unseren Müttern ein verlängertes Wochenende in einem schicken Wellnesshotel, inklusive Gesichts- und Cellulitebehandlung. Überhaupt – Schlafsack und Isomatte, das halten die Hüften doch gar nicht mehr aus. Das wird nur teuer, und zwar für uns!«
»Brav, Kind«, hätte ich sie gelobt und ihr das Geld für eine schöne Handtasche zugesteckt. »Du und ich, wir sind eben vom selben Blut.«
Ich hatte aber keine Tochter, weil ich als Einzige von uns dreien immer geblutet hatte, sprich niemals schwanger geworden war. Keine Tochter und kein Sohn, der sich über den technischen Zustand des R4 mokierte. Was Familienmitglieder anging, hatte ich nur eine Mutter, die verwundert ihren achtundachtzigjährigen Kopf schüttelte, und einen Mann, der das Geschenk bombastisch fand.
»Mach doch wenigstens mal die Lüftung an«, forderte ich Nele auf, weil mir der Schweiß bereits in Strömen lief, doch aus den Lamellen kam nur ein leises Sirren, das den Mief lauwarm und schwül zu einer heißen Suppe quirlte. Mit flacher Hand wedelte ich mir etwas Kühlung zu.
Nele hingegen tat, als sei sie frisch und proper. Wie eine junge Wilde legte sie den R4 und damit auch uns gefährlich in die Kurven. »Saach ma«, begann sie schief in einer Kurve liegend, »wie hieß noch mal der Typ, mit dem Renate damals in dieser Kooperative angebandelt hatte?«
»Keine Ahnung.« Wären wir hübsch daheim geblieben, hätte ich in einem meiner Tagebücher forschen können, aber nun war ich vollauf mit Selbsthypnose beschäftigt, damit mein Magen nicht überreagierte. »Hieß der nicht Angelo Branduardi?« Ich summte ihr zur Veranschaulichung La pulce d’acqua vor , das 1981 das gewesen war, was man heutzutage einen Sommerhit nannte. »Oder war es der Albano von Romina Power?« Zur Orientierung summte ich nun Felicità , was nicht nur 1982, sondern zu jeder Zeit ein Scheißsong gewesen war. Gut, dass die beiden sich getrennt hatten.
Nele lachte so heftig los, dass der Wagen gefährlich ins Schlingern kam. Ihre Augen strahlten, und ich liebte sie in diesem Augenblick wirklich sehr. In ihrem Gesicht entdeckte ich das Mädchen, das ich mit vierzehn bei einer Jugend-Theatergruppe kennengelernt hatte. Bis dahin war allein Renate meine beste Freundin gewesen, seit unserem fünfzehnten Geburtstag waren wir jedoch zu dritt. Schulzeit, Elternstress, erste Liebe, Beziehungen, Uni, WG -Erfahrung, Hochzeiten, Kinder und Scheidungen – mit diesen beiden Frauen verband mich mehr als mit dem, was man Familie nennt.
»Also«, bohrte Nele erneut los und lächelte verschmitzt, »wie hieß denn der Jüngling? Komm, ich weiß, dass du es weißt. Oder dich mit etwas gutem Willen daran erinnerst.«
»Maurizio«, antwortete ich. »Er war zwanzig und wollte Filmemacher werden.«
Maurizio. Der wäre es gewesen, las ich in Neles Blick. Kurz vor dem Studium war Renate nach Italien gefahren und hatte dort in einer alternativen Kooperative ausgeholfen. Mit ein paar jungen Italienern hatte sie ein verlassenes Haus instand gesetzt, längst vergessene Felder gepflügt und reife Tomaten eingekocht. Sie lernte dort Italienisch und lebte einen Traum. Heute ärgerte ich mich, dass ich damals nicht mitgefahren war.
Zurück in Deutschland, hatte Renate bald ihren Paul getroffen, und dann wurde Anna geboren, dann Philipp, dann kam die Trennung, und später folgte noch so eine Liebesstory, die uns den süßen Olli schenkte. In so ein Frauenleben passt viel Liebe, dachte ich für mich, da kann man einiges erleben, das Süße wie das Bittere. Renate hatte von Maurizio nie wieder etwas gehört und ihm auch selbst nie geschrieben. Vergessen hatte sie ihn sicher nicht. Eine Liebe in Italien – der Traum einer jeden halbwegs normalen Frau.
»Die 80er – das waren Renates wilde Jahre«, erinnerte sich Nele. »Mensch, die war doch wie eine Marilyn Monroe, die aus Versehen in Landau gelandet war.«
»Dort aber in der prominentesten WG ! Ich sage nur: Fabian!«
Fabian. Politikstudent, lange Haare, offenes Hemd, breites Grinsen und immer umgeben von etwa
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