Drei Frauen im R4
legt, das Ganze festzurren und feststecken, und dann kann ich sehen, wie ich mit den peinigenden Lockenwicklern schlafe. Bleistiftlocken waren die billigste Art, um zu Pfeifenzieherlocken zu kommen, doch ich hatte mit den Kringeln immer superblöd ausgesehen, weil mein Gesicht nicht so schmal wie das von Renate war, sondern eher eine barocke Angelegenheit.
»Du müsstest auch frischer aussehen«, stimmte Nele in die Kritik an meinem Äußeren ein. »Man sieht dir halt doch den wenigen Schlaf der letzten Nächte an.«
»Dafür bist du glatt wie ein frisch gepelltes Ei«, giftete ich zurück. Wenn ich schon einen auf Frontsängerin machte, dann sollte man mich lieber moralisch aufbauen als mir die Faltentiefe messen. Das hier war nicht der TÜV, und ich brauchte niemanden, der mir wie bei einem Reifen die Dicke des Profils nachmaß.
»Da hilft nur eins«, fand Renate, fachfrauisch kniff sie mir in die Wangen, »morgen früh, bevor wir gehen, gibt es Sprudelbad mit Eis.«
Was nichts anderes war, als den sprudelnden Inhalt einer eisgekühlten Flasche Mineralwasser in eine Schüssel zu leeren und darin dann das Gesicht zu baden. Das kalte Mineralwasser peppte die Haut in Sekundenschnelle auf, und die Kohlensäure machte, dass sie sprudelnd belebt und durchblutet wurde. So hatten wir uns früher für die Disco präpariert, die heute nicht mehr Disco, sondern Club hieß oder eine Ü-50-Party war, wo einem mit einer Überpräsenz von ABBA und No milk today die letzte Tanzlust aus den Beinen gejagt wurde. Jetzt bewirkte die Idee mit dem Sprudel vorerst, dass Nele wie eine Kriegerin auf den letzten Münzen hockte.
»So viel Geld für eine Flasche Sprudel«, stellte sie sich gegen Renates Entschluss.
»Wir werden so viel Geld einnehmen«, machte ihr Renate klar, »dass wir dir einen Thron aus Sprudelkästen bauen – und zwar aus vollen«, hängte sie noch an das Versprechen dran.
»Ach, wenn wir morgen wirklich genügend Geld zusammensingen«, träumte Nele laut los, »dann sollten wir das aber wirklich noch probieren.«
»Was?«, erkundigte ich mich schnell, weil mir halbe Sätze inzwischen sehr gefährlich erschienen.
»Italien!«, Nele hielt den alten Baedeker in die Luft. »Ich meine Italien. Es wäre so wunderbar, dort wirklich anzukommen, und sei es nur für einen Tag. Eben weil das so eine verrückte Reise war. Wir pumpen den Tank noch mal richtig voll, und dann rauschen wir durch bis nach Forli. Vielleicht, das werden wir dann sehen, gibt es die Kooperative ja noch. Es wird sich großartig anfühlen, am Ziel angekommen zu sein, wenn auch später, als wir bei der Abfahrt dachten.«
»Von mir aus«, gab Renate nach. »Auch wenn es hier schön ist. Ich glaube, ich werde die Schweiz und diesen Platz vermissen.«
Und es war klar, dass sie damit nicht die Waschanlage, die Duschen und die steinzeitlichen Toiletten meinte.
Kapitel 14
Thank you for the Music
- Abba -
In aller Früh, nach einem mageren Frühstück und einigen Meditationseinlagen, fuhren wir mit Fuchur in die Stadt und suchten uns einen Parkplatz am Rande des möglichen Geschehens. Unser Umhergondeln glich einer Fahrt auf dem Karussell. Jedes Mal, wenn Nele oder Renate »Hier!« schrien, waren wir bereits vorbeigefahren. Die Bleistifte, die ich noch immer in den Haaren trug, ziepten und quälten penetrant. »Wann kommen denn die Dinger raus?«, stöhnte ich und zupfte an einem Stift herum. Der Radiergummi löste sich und sprang als Dopsball durch den Wagen, mit dem Fips natürlich sofort spielen wollte. Er sprang auf Renates Schoß und von da nach hinten.
»Aufpassen!«, schrie Nele, und ich riss den Wagen herum, weil mich nicht nur Fips irritierte, sondern uns auch eine Fahrradfahrerin gefährlich nahe kam. Mein rechter Fuß, unter dem sich das kleine Gaspedal des R4 wie ein Taubenei anfühlte, versuchte schnell zu reagieren, aber das klappte nur bedingt, denn nicht nur meine Kopfhaut, auch meine Beine siechten vor sich hin, weil ich mit den Knien zu sehr unter dem Lenkrad presste.
»Ich mach dir mal Luft!«, meinte Renate, als ob das bei müden Beinen etwas half. Sie zog den kleinen Hebel nach oben, der für Frischluftzufuhr vorgesehen war, aber das hatten wir ja schon in den letzten Tagen gelernt, dass die Umluft bei diesem Modell eher einem Miefquirl glich.
»Puh!«, wedelte ich mir frische Luft zu und stemmte das Seitenfenster auf. Es kostete Mühe und war schwierig, wie alles heute Mühe kostete und schwierig war.
»Bei meiner Größe
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