Drei Frauen im R4
«, feuerte ich Renate an, und erstaunlicherweise begann sie, die richtigen Akkorde anzuspielen. Ich rockte nun nicht mehr nur auf der Stelle, sondern sprang wie Mick Jagger in die Höhe, vor und wieder zurück, und das alles zu Liedern wie Eisgekühlter Bommerlunder , Hello Mary Lou , Mama Leone , Du kannst nicht immer siebzehn sein , Zucker im Kaffee , Ich will heim nach Fürstenfeld , und I muss die Straßenbahn noch kriege, während Fips wie ein echter Zirkushund kläffte, sprang oder eine Rolle machte.
Als einer aus der Menge »Yes! Yes! Yes!« rief, musste ich das als Aufforderung verstanden haben, denn nur so war zu erklären, dass ich meinen Rock hob, mich mehrmals um mich selbst drehte und, bereits schwer außer Atem, Nele einen Ruf zujapste. Dann kam es zu dem großen Höhepunkt, den es 1981 auf dem Campingplatz an der Ardèche genau so gegeben hatte und der damit begann, dass ich mich mit einem ganz intensiven Blick zu Nele drehte, streckte, BHP (Busen, Haare, Po) schüttelte, erneut die Beine wie zum Cancan schmiss, dann Nele einen noch deutlicheren Blick, ein Nicken und ein für die Menge gut hörbares »Allez hopp!« zuwarf, auf das Nele dergestalt reagierte, dass sie die Flöte zur Seite warf, auf mich zulief und sich wie beim Stabhochsprung hochschwang, um in meinen ausgestreckten Armen zu landen, wie ein Basketball im Korb. So ähnlich wie die berühmte Szene bei Dirty Dancing , nur vielleicht nicht ganz so elegant. Ich drehte mich mit ihr auf meinen Armen um mich selbst, obwohl sofort ein furchtbarer Schmerz im Rücken tobte, der sich auf der rechten Seite bis in mein unteres Bein hinzog. Aber ich bewahrte natürlich Contenance und lächelte noch immer. Shit, dachte ich bereits schon torkelnd, mein Ischiasnerv bringt mich gerade um. Nele, mit aufgeregt roten Apfelbäckchen, merkte davon nichts. Sie schwang die Hände weit über sich und winkte dem Publikum zu. Ich ächzte, ging schon ein bisschen gebeugt, kräuselte meinen Mund vor Schmerz, lächelte aber noch immer, bleckte die Zähne und betete in den Himmel: »Um der Göttin willen, hoffentlich ist das hier bald vorbei!«
Mit großem Getöse, wie eine Lawine, die aus den Bergen herunterbricht, oder ein Elefant, den es umhaut, schleuderte die nächste Umdrehung mich, noch mit Nele auf den Armen, in die Blumenrabatten auf dem Platz, und es war nicht von der Hand zu weisen, dass Nele dabei wie eine physikalische Kraft wirkte, die erst die Geschwindigkeit der Umdrehung und dann die des Falls enorm erhöhte.
»So, fertig«, rief Renate gefühlskalt in die Menge, als ich am Boden lag und Nele erstaunt aus meinen Armen schlüpfte. »Jetzt ist Schluss. Für heute ist es genug.«
Kurz und allein sang Renate Money, money, money , während die Zuschauer langsam weiterschlenderten. Nele hatte sich, welch ein Wunder, nicht einmal ein Haar gekrümmt. Dass es mir einen Wirbel ausgehebelt hatte, merkte ich sofort. Die letzte Umdrehung war einfach zu viel für mich gewesen, wie auch ein drittes Glas Wein manchmal nicht mehr passt.
»Ooooh«, jammerte ich, während meine Hand die schmerzende Stelle suchte. Und kein Arzt weit und breit, der mir zu Hilfe eilen konnte. Nur eine Frau kam auf mich und die besorgte Nele zu. Sehr robust und sehr vergnügt, mit Baseballkappe und Overall bekleidet, beugte sie sich über mich, packte meine Arme, und mit einem kräftigen Ruck riss sie mich aus den Blumen raus. Kurz bevor ich ins Delirium fiel, konnte ich auf ihrer Jacke ein Miniaturabzeichen erkennen, auf das verschwommen »Truckermutti Erika« mit feinem Garn gestickt worden war. »Aaaah«, schrie ich, als sie mich nach oben wuchtete. Es war unglaublich, wie viel Kraft in dieser kurzgewachsenen Truckermutti steckte, und als hätte ich etwas zu viel LSD probiert, mischten sich die Schiffe, die Wolken, die Möwen und die vielen Menschen in meinem Kopf zu einem Kaleidoskop der Farben.
»Mir wird schlecht«, begann ich laut zu klagen.
»Liebelein«, kölschte mich die Truckermutti an. »Da kütt Salbe drauf, die hannisch dabei, und dann isses bald widder juut. Et hät noch emmer joot jejange .«
»Joaaaah«, stöhnte ich laut. Mit der Hand hielt ich weiter mein schmerzendes Steißbein fest.
»Kinder, Kinder«, Erika setzte mich auf eine Bank, und Nele hielt mich dabei fest, damit ich nicht seitwärts in einen Kübel Oleander kippte. Ihr fehlte erstaunlicherweise wirklich nichts, was mal wieder ein Beweis dafür war, dass es besser ist, klein und geschmeidig zu sein als
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