Drei Frauen im R4
ganz schrecklich eingedeutscht worden war. Aber da hatte es ja auch noch keine Fleischskandale gegeben. Wenn schon Gospelzeug, dachte ich, dann vielleicht eher Wo ein Mensch Vertrauen gibt , das hatten wir auch in den 80ern gesungen, weil der Song positiv und menschenfreundlich gewesen war und damit an Herman van Veens Ich hab ein zärtliches Gefühl erinnerte.
Nele fand jedoch, dass es besser wäre, mit einem schnellen und bekannteren Lied zu beginnen. »Irgendwas von den Söhnen Mannheims«, schlug sie vor, weil die auch in der Schweiz gespielt wurden.
Die kamen aber nicht in Frage, weil Xavier Naidoo Anfang der 80er vermutlich gerade erst abgestillt worden war.
»Mit was fangen wir an«, ratterte es laut aus meinem Kopf, » Cocaine geht gar nicht, da verhaften die uns gleich. Aber wie wäre es mit richtig alten Knotten wie Einmal um die ganze Welt von Karel Gott, oder noch passender Es fährt ein Zug nach Nirgendwo, denn damit könnten wir auch einen Bezug zu unserer Reise herstellen. Und danach Lieder aus den 80ern …«
»Guru Guru«, strahlte Renate. Das war Musik, die mit einer Gitarre, irischer Metallflöte und Tamburin nur bedingt nachspielbar war. Wie man ja auch zu dritt nur ganz schlecht die Fischerchöre covern kann.
»Und was soll ich da singen?«, hakte ich etwas blockiert nach. »Den Elektrolurch vielleicht? Volt, Watt, Ampere, Ohm, ohne mich gibt’s keinen Strom ?«
»Warum nicht!« Renate brachte aber auch nicht mehr als diese Zeile von dem Lied zusammen.
»Nun setz doch mal dein Tamburin ein«, forderte mich Nele auf. »Das ist doch super, da klatschen alle mit.«
»Aber bei welchem Lied bitte?«, schrie ich entnervt auf.
»Ich hab’s«, jubelte Renate, »wir fangen die Show mit Ein Bett im Kornfeld an. Das trifft es hundertpro, auch wenn der Riemen schon etwas älter ist.«
Sofort griff sie suchend in die Saiten und summte leise dazu.
»Hmm mm mmm Kornfeld, das ist immer frei, hmm mm mm Sterne … mmh mm mmmh dabei … mmh mmmm mmm beide …«, während Nele die richtigen Töne auf der Flöte dazu wünschelrutete und ich versuchte, mein Tamburin dazu zu bewegen. Ach ja, das gute alte Tamburin, das hatten wir wie ein Osterei im Heck entdeckt. Dieses Instrument hatte mir mein Vater in der vierten Klasse gekauft, weil ich als Kind beabsichtigte, nicht Prinzessin, sondern Trommelkönigin zu werden. Nun war es mit uns mitgereist und aus Fuchurs unerfindlichen Tiefen mit einem Mal erschienen.
Geschäftig blätterte Nele in der Mundorgel, dem Liederjan, dem Songbook von Ougenweide, und die drei dicken Ausgaben des Kultliederbuches Das Ding wurden auch noch herausgeholt, weil die eine Fundgrube für uns waren.
»Außerdem sind die Gitarrengriffe mit dabei«, erklärte Renate, und ich hoffte, dass sie spätestens bei unserem Auftritt die Empfehlungen auch umsetzen würde. Bis jetzt, vermutete ich, begleitete sie die meisten Lieder nach Gehör.
»Ach egal«, machte sie sich locker, »ich finde, es reicht jetzt mit dem Üben.« Sie legte die Gitarre weg. »Ein bisschen Improvisation gehört ja schließlich auch dazu und ist der Pfeffer für den Braten.«
»Aber findet ihr denn wirklich, dass es schon reicht?« Ich wollte nicht perfektionistisch sein, aber der Probenstand, den wir erreicht hatten, war für mich noch sehr weit vom optimalen Premierenstand entfernt.
»Wir haben keine Zeit, denn wir müssen auch noch über unser Outfit sprechen.« Nele war bereits mit einer Taschenlampe bewaffnet in den Rucksäcken verschwunden und suchte nach ungebrauchtem Material. Inzwischen hatten wir nämlich schon alles mindestens einmal getragen, und sämtliche Kombinationen waren ausprobiert. Die Malerhose mit dem Ringelshirt, der Stufenrock mit der lilafarbenen Indienbluse, die meiner grünen ziemlich glich, das blaue Indienkleid mit Birkenstocks oder Espandrillos, das Oma-Nachthemd mit den abgeschnittenen Jeans.
»Zwischendrin sollten wir schließlich auch die Kostüme einmal wechseln. Das macht man heute so. Habt ihr noch niemals Hedwig Müller im Fernsehen gesehen?«
»Sie meint Helene Fischer«, raunte mir Renate zu und wurde sofort wieder sachlich. »Allerdings«, schätzte sie mich von der Seite ab, »mit den Haaren, wie du sie trägst, machst du als Frontsängerin keinen Stich. Wart mal, ich mach dir ein paar Strähnen mit Olivenöl, und dann zwirbeln wir sie dir hübsch hoch.«
O nein, dachte ich, auch das noch! Die Haare feucht machen und dann hochdrehen, indem man sie über Bleistifte
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