Drei Generationen auf dem Jakobsweg
Pilger überhaupt nicht? Oder denken die, alle Pilger klauen? All diese Fragen beschäftigten mich schon von Anfang unserer Reise an. Um Franzi abzulenken, nahm ich sie an die Hand, um wenigsten die Kirche von außen zu besichtigen und um ein bisschen mit ihr zu spielen, während mein Mann und meine Tochter die Etappen für die weiteren Tage festlegten.
Ich war gerade dabei unserem Herrgott während des Spielens mit meiner Kleinen zu danken, weil er mir eine so wunderbare Enkelin geschenkt hatte, als mein Mann mich um unsere Fotokamera bat. Es wurde mir heiß und kalt. Die Kamera war weg und ich hatte sie als Letzte. Mir wurde schlecht. Ich bat den heiligen Antonius um eine Eingebung, wo ich diese hatte liegen lassen. Plötzlich meinte meine Tochter: »Du hattest sie doch noch in der Herberge, als wir uns die Stempel abholten .« »Das ist nicht weit zurück, ich bin gleich wieder da«, sagte mein Mann. Ich musste mich setzen, aber ich glaubte an meinen heiligen Antonius, der mir schon oft geholfen hatte, indem ich Dinge wieder bekam, die ich verlegt oder sogar verloren hatte. Es dauerte nicht lange und mein Mann kam samt Kamera zurück. Sogar meine Tochter strahlte, weil sie natürlich bemerkt hatte, wie sehr ich mich aufregte. Schnell besorgten wir uns noch Wasser für den weiteren Marsch, schließlich hatten wir noch acht Kilometer bis Torres del Río vor uns, und so machten wir uns wieder auf die Socken.
Nach jeder Rast musste ich mich immer sehr überwinden weiterzulaufen, da der ganze Körper vom Scheitel bis zur Sohle schmerzte und erst wieder auf Touren gebracht werden musste. Ich bewunderte meine beiden – Mann und Tochter –, denn keiner jammerte, obwohl ich genau wusste, dass es sowohl meinem Mann als auch Larissa nicht immer leicht fiel. Bei meiner Tochter konnte ich zusehen, wie sie täglich dünner wurde. Besonders im Gesicht wurde sie immer spitzer. Es war schon eine gewaltige Leistung, die sie täglich vollbrachte. Mit Gepäck für zwei zu gehen und immer den Wagen zu schieben kostet enorm viel Energie. Den ganzen Weg über, der noch vor uns lag, bat ich unseren Herrn auf sie aufzupassen und auch das Wetter beständig zu halten, denn es sah verdammt nach Gewitter aus. Aber was sage ich, mein Wunsch wurde erhört und das Wetter hielt. Nichtsdestotrotz gingen wir sehr raschen Schrittes in Richtung Torres del Río. Meine Tochter im flachen Gelände, samt Wagen unschlagbar, immer ein paar Meter voraus. Mein Mann und auch ich hätten ihr gerne den Wagen abgenommen, aber sie schob und schob. Ich hatte auch immer etwas Angst um sie, da sich durch die große Anstrengung ihre rechte Halsschlagader immer deutlicher zeigte. Aber meine Tochter hatte schon immer ihren eigenen Kopf und was sie sich in denselben setzt, wird umgesetzt. Koste es, was es wolle. Leider!
Endlich von Weitem sahen wir Torres del Río auf einer Anhöhe. Die letzten Meter waren immer die schönsten des Tages. Wir gingen über eine kleine Brücke, gemauert aus alten Steinen wie der ganze Ort auch. Plötzlich ging es steil bergauf und unsere Tochter drehte sich um und machte bitte, bitte, wie ein kleines Kind. Wir mussten lachen. Schnellen Schrittes eilte mein Mann zu ihr und half ihr die Kinderkutsche den Berg hinaufzuschieben. Oben angekommen klatschten die bereits angekommenen Pilger in die Hände und begrüßten uns mit den Worten: »Wir haben schon viel von den verrückten Deutschen gehört, die mit Kinderkutsche den Camino gehen. Ihr seid die berühmteste Familie auf dem Jakobsweg. Euer Ruf eilt euch voraus !« Unsere Kleine hüpfte vergnügt aus ihrem Wagen und führte zu unserer Überraschung gleich einen kleinen Freudentanz auf, der Applaus war ihr sicher. Wieder wurden die Kameras gezückt und wir, »die verrückten Aleman«, besonders unser Kind, fotografiert. Erst jetzt merkte ich, dass wir vor einer, was sage ich, vor der einzigen Herberge waren, denn es gab weit und breit keine Zweite. Das einzige Hostal war ausgebucht und so waren wir gezwungen die Nacht in der Herberge zu verbringen.
Wieder hatten wir großes Glück. Wir bekamen die letzten vier Betten in einem Sechsbettzimmer. Ein Mann und eine Frau teilten mit uns den Raum. Die Duschen und Toiletten waren angenehm sauber. Allerdings tranken wir erst unser obligatorisches Bier, bevor wir uns in die Duschen begaben. Anschließend ging es in das der Herberge angeschlossene Lokal zum Essen. Das Pilgermenü war sehr gut und ausreichend. Zu unserer und Franzis Überraschung
Weitere Kostenlose Bücher