Drei Generationen auf dem Jakobsweg
ich still für mich, und das taten wir auch. Auf Hochspannungsleitungen, die über die Autobahn verliefen, hingen in Abständen immer wieder Wanderschuhe, welche vermutlich blasengeplagte Pilger dort entsorgt hatten. Ob diese wohl barfuß weitergelaufen sind? In unserem Reiseführer stand, dass, wer vor dem Ort Ventosa den Hinweisen zur Herberge folgt, der Autobahn schneller entkommt. So entschieden wir uns auch.
Endlich von der Autobahn weg, kamen wir in das mit Spannung erwartete Tal, wo bereits viele Pilger vor uns Steinpyramiden – Steinmännchen in allen Variationen und Größen – aufgeschichtet hatten. Wir waren irgendwie sehr gerührt und dachten an all die verschiedenen Schicksale und Hoffnungen, die hinter jedem Steinmännchen steckten. Jedes Steinmännchen war ein Zeugnis von Pilgern verschiedenster Nationalitäten, mit unterschiedlichen Mentalitäten ausgestattet, jeder aus seiner eigenen Motivation heraus, den Jakobsweg zu laufen. Neben einer der vielen Pyramiden standen Bergschuhe, die eine Pilgerin getragen hatte. Eine kleine Tafel erinnerte an eine 56-jährige Engländerin, welche hier kurz vor Najera im Jahr 2010 verstarb. Diese Tafel berührte mich tief im Innersten, aber nicht nur mich, sondern auch meinen Mann. Vielleicht, weil dieser Todesfall nur ein Jahr zurücklag? Vielleicht auch, weil diese Pilgerin nur unwesentlich älter gewesen war als wir? Viele verschiedene Gedanken zogen uns durch den Kopf und es war sogar, als kenne man die Verstorbene. Fast fing man an zu trauern. Auch bewegte ich mich kurz darauf nur noch im Zeitlupentempo, nicht weil ich müde war, nein, es war eher, als wäre ich in Trance, heißt es doch, wer auf dem Jakobsweg während seiner Pilgerreise stirbt, komme ohne jeden Umweg direkt in den Himmel. Alle Sünden seien vergeben. Na ja. Auch wir bauten Steinmännchen, vier Stück an der Zahl, und obwohl wir eine Familie sind, erstaunte es mich doch, wie unterschiedlich alle aussahen.
Also gut, weiter ging es mit dem Aufstieg nach Alto de San Anton. Oben angekommen lud ein gemütlicher Rastplatz mit Tischen und Bänken aus Beton zum Verweilen ein. Wir aßen unsere Müsliriegel und ein paar Nüsse, tranken unser Wasser und blieben eine Stunde an diesem gemütlichen Platz. Auch das Wetter meinte es heute wieder gut mit uns, denn insgesamt würde ich den Tag als angenehmen Wandertag mit angenehmen Temperaturen bezeichnen. Jetzt konnte sich auch unsere Kleine ordentlich austoben, bevor wir wieder weitermarschieren. Schließlich hatten wir noch acht bis neun Kilometer und somit ungefähr zwei Stunden vor uns. Also weiter ging’s!
Unsere Kleine beschloss für sich erst einmal zu laufen. Der Weg war angenehm, denn jetzt ging es leicht bergab. Franziska hielt sich entweder am Stock ihres Opis oder am Stock ihrer Omi fest. So wanderte sie zwischen uns hin und her. Larissa schob den Wagen einmal für kurze Zeit ohne Kind, dafür bestückt mit ihrem Rucksack. Bestimmt eine Wohltat für sie, einmal ohne Rucksack zu gehen. Aber, ich wiederhole mich zwar, sie würde sich eher die Zunge abbeißen als zu jammern. Na ja, auch sie ist hart im Nehmen, woher hätte es denn sonst unsere kleine Maus? Heute war Franziska nicht ganz so entschlossen wie sonst, denn sie änderte ihre Meinung alle paar Meter. Mal wollte sie sitzen, mal wollte sie laufen. Aber auch das ist ganz normal. Auch wir Erwachsenen fühlen uns nicht jeden Tag gleich.
So wanderten wir auf einem insgesamt guten Feldweg weiter, bis wir schließlich eine Betonwand erreichten, auf die von verschiedenen Pilgern in deutscher Sprache verfasste Gedichte geschrieben waren. Meine Tochter nahm sich keine Zeit mehr, denn jetzt war Franziska müde und rüstete sich für ihren Mittagsschlaf im Wagen. Jetzt wollte Larissa wieder Tempo zulegen, was sie auch tat. Nun ging es wieder der Straße entlang und von Weitem konnten wir die Neustadt von Najera sehen. Unweit vom Ortseingang trafen wir auf unsere beiden, am Straßenrand sitzend und auf uns wartend. Unsere kleine Franziska war gerade dabei, den Straßenrand mit ihren Malkreiden zu verschönern. Wir liefen noch ein Stück stadteinwärts und trafen direkt auf ein chinesisches Restaurant. Hier konnte ich unmöglich vorbeigehen. Auch Peter und Larissa war der gute Geruch aus der Küche nicht entgangen und sie ließen sich sofort überzeugen, doch hier zu rasten und zu essen. Wir bestellten uns gebratene Nudeln mit Scampi und Salat. Dazu ein kühles Bier! Mensch, war das köstlich!
Am
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