Drei Generationen auf dem Jakobsweg
ich plötzlich die Dame des horizontalen Gewerbes am Flussufer, betrunken und mit fast entblößtem Oberkörper, schlafend im Gras liegen. Sie tat mir leid und so bat ich unseren Herrgott ihr nicht nur wieder auf die Beine, sondern auch zu einem besseren Leben zu verhelfen. Nur weiß ich wirklich, was für sie besser ist? Jetzt wurde es aber Zeit für uns, ins Bett zu kommen, denn morgen würden wir gut 20 Kilometer gespickt mit vielen Höhenmetern vor uns haben.
29. Mai Najera – Santo Domingo (21 km)
Ausgeschlafen und gut gelaunt trafen wir uns an diesem sonnigen Morgen bereits um sieben Uhr zum Frühstück, denn die heutige Etappe würde gleich am Anfang mit einem Aufstieg beginnen. Außerdem bot heute der Weg, laut unserem Reiseführer, keinen Schatten. Schnell unsere Wasserflaschen gefüllt, noch eine mehr als sonst, man weiß ja nie, machten wir uns auf den Weg. Die Beschilderung war wieder sehr gut und so liefen wir entlang der »Jakobsmuscheln« (Wegweiser) vorbei an einem alten Kloster, einen bewaldeten Hang hinauf auf die Hochebene der Rioja Alta. Die Hochebene gab mit ihren breiten Feldwegen und ihrer flachen Weite einen Vorgeschmack auf die Ebenen von Burgos bis Leon, welche wir in Kürze, so Gott will, erreichen würden. Franziska klimperte unterdessen ganz begeistert auf ihrem »Klavier« herum und so wurden andere Pilger schon von Weiten auf uns aufmerksam. Ihre »Kompositionen« sollten uns die nächsten Tage begleiten, bis die Batterien endlich den Geist aufgaben.
Es begann jetzt die Tierra de Campos, welche als Kornkammer Spaniens bezeichnet wird. Jetzt war es also vorbei mit den schönen Weinbergen, dachte ich so vor mich hin und wurde fast ein bisschen traurig, hatte mir doch der Anblick des Weinanbaus auf unseren Wegen bisher sehr gut gefallen. Ehe wir uns versahen, hatten wir bereits nach einer Stunde Azofra erreicht. Meine Füße schmerzten heute mehr denn je, ich dachte, ich bräuchte einfach anderes Schuhwerk. So beschloss ich in der nächsten größeren Stadt ein Sportgeschäft mit einer Auswahl an richtigen Bergschuhen zu suchen. Als ich dies Peter mitteilte, sagte er mir, dass sich jetzt auch bei ihm Blasen anmeldeten. Also würden wir zwei Paar Schuhe kaufen, so mein Kommentar. Peter lachte nur und sagte zu mir: »No pain , no glory !« Er verblüfft mich immer wieder. Wie meine Tochter, so auch mein Mann, beide können offensichtlich mit Schmerzen besser umgehen als ich. Meine Tochter freute sich indessen, und wir uns mit ihr, dass sie sich im Vorfeld für das richtige Schuhwerk entschieden hatte, im Gegensatz zu uns.
Hinter Azofra allerdings kündigte sich ein langer Anstieg von etwa zwei Stunden an. Hier überholten wir einen Psalmen singenden Pilger im Schottenrock. Später erfuhren wir, dass nur seine Vorfahren aus Schottland stammten, er selbst aber aus Kanada kam. Seinen »Kilt« bezeichnete er als die beste Wanderkleidung. Na ja, wenn er meint! Der Anstieg war geschafft und so kamen wir direkt in die neu angelegte Feriensiedlung, ausgestattet mit sehr schönen, neuen Tennisplätzen sowie dem Golfplatz von Cirueña. Nur was für reiche Spanier, dachte ich. Schnell erreichten wir hier einen nett angelegten Rastplatz, den wir gerne nach der Anstrengung des heutigen Vormittages nutzen, um ein paar Kalorien aufzunehmen und mit Franzi zu spielen. Da es sehr heiß war, bat ich, auf der Bank sitzend, wieder meinen Herrgott doch für ein bisschen Kühle und frischere Luft zu sorgen, um die weiteren sieben Kilometer und eineinhalb bis zwei Stunden Gehzeit besser zu überstehen. Was sage ich, mein Wunsch wurde umgehend erhört. Allerdings hatte ich wieder einmal nicht richtig formuliert. Zogen doch ganz unerwartet Wolken auf, welche in Minutenschnelle dafür sorgten, dass es anfing zu tröpfeln. Mein Fehler, wann wird denn die Luft frischer? Doch wenn es regnet, oder? Schnell schob ich hinterher, dass der Regen aufhören möchte und es nur kühler werden sollte. Auch würde ich mich künftig mehr anstrengen bei meinen Formulierungen. Jetzt holten wir schnell unsere Regenponchos aus dem Rucksack, wenigstens trugen wir sie nicht umsonst mit uns rum, und machten uns wieder auf den Weg.
Ein paar Kurven durch diese Neubausiedlung und noch die Straße überquerend liefen wir wieder einen breiten Feldweg entlang. Nachdem Franzi müde geworden war, schlief sie in ihrem Wagen, der übrigens auch mit einer Regenhaut überzogen war, ein. Larissa blieb heute trotz des schlafenden Kindes bei uns
Weitere Kostenlose Bücher