Drei Generationen auf dem Jakobsweg
liebsten hätte ich noch eine Portion nachgeschoben, doch dann wäre ich wahrscheinlich bis morgen früh nicht mehr aus dem Stuhl gekommen. Leider hatten wir ja noch ein Stück bis in die Altstadt vor uns. Nichtsdestotrotz machten wir eine ausgiebige Pause, bevor wir die letzten Meter der Altstadt entgegengingen. Wir unterhielten uns und lachten, als plötzlich ganz unvermittelt eine schmuddelige, angetrunkene Spanierin mit knallengen Jeans und zu kurz geratenem T-Shirt auf meinen Mann zusteuerte, ihn unverblümt am T-Shirt packte und ihn aufforderte mit ihr zu kommen. Ich dachte, ich sehe nicht richtig, eine Prostituierte am Camino! Genauso unverblümt, wie mein Mann aufgefordert wurde, erteilte er ihr eine Abfuhr, woraufhin sie sich aber sehr schnell, um nicht zu sagen sofort, vom Acker machte. Die Situation war so absurd, dass sie schon wieder lustig war. Vielleicht liebte sie ja den verschwitzten Geruch, den Pilger zwangsläufig an sich haben.
Leider wurde es jetzt für uns Zeit, ebenso aufzubrechen, denn wir mussten noch ein Quartier suchen. Wir hatten Glück! Im Fremdenverkehrsamt ließen wir uns wieder unsere Pilgerpässe abstempeln und zugleich Hostals mit freien Zimmern heraussuchen. Dies war heute gar nicht mehr so einfach. Wie bereits seit einigen Tagen vermutet, nahm der Pilgerstrom – vor allem der der Pseudopilger – jeden Tag zu. Auch die Radfahrer wurden täglich mehr. Es gab nur wenige Radfahrer, die alleine oder zu zweit unterwegs waren. Die traten tatsächlich in Horden auf, alle im selben Outfit, ausgerüstet als wollten sie die Tour de France gewinnen, hatten sie wenig bis kein Verständnis für Fußpilger mit schwerem Gepäck. Ebenso nahmen auch die Buspilger täglich zu. Trotzdem erhielten wir zwei schöne Zimmer, allerdings die Letzten, dann war das Hostal ausgebucht.
Schon auf dem Weg dorthin sahen wir einen sehr gut bestückten Kinderspielplatz, den wir, nachdem wir unsere Rücksäcke verstaut und eine Dusche genommen hatten, aufsuchten. Ein Klettergerüst, eine Rutsche und mehrere Schaukeln, Franziska wusste nicht, wo sie anfangen sollte. Larissa schwang sie geduldig auf ihrer Schaukel sitzend hin und her. Peter und ich ließen uns auf einer der aufgestellten Bänke am Spielplatz nieder und ließen uns die Sonne ins Gesicht scheinen. Nach einer guten Stunde Aufenthalt am Spielplatz beschlossen wir uns den Ort anzusehen. Rund um den Ort nisteten Störche. Auf jedem Kirchturm oder Baukran stand oder brütete ein Storch. Wir kamen bei unserem Rundgang an einem kleinen Spielzeugladen vorbei, in dem Larissa ihrer Tochter ein kleines rosarotes »Klavier«, eine Harmonika, kaufte. Ich besorgte die nötigen Batterien und Franzi klimperte aus vollem Herzen los. Opi und Omi hielten sich nach einiger Zeit die Ohren zu. Zum Abendessen beschlossen wir an das andere, uns gegenüberliegende Ufer des Río Najerilla zu wechseln, weil dort von Weitem viele offene Lokale mit Gastgärten zu erkennen waren. Gesagt, getan. Wir fanden ein nettes kleines Lokal, in dem wir alle Pasta und Ensalada Mixta aßen. Satt und zufrieden tranken wir noch ein Glas guten Weißweines und ließen so den Tag ausklingen.
Am Ufer des Río Najerilla begann jetzt gegen neun Uhr ein reges Treiben. Eltern kamen mit ihren Kindern zum Spielen an den Fluss. Unsere Kleine war überglücklich an diversen Fußball- und Laufspielen teilnehmen zu können und fand es natürlich dementsprechend schade, als sie plötzlich aufgefordert wurde, weil für unser Kind bereits Schlafenszeit war, mit ihrer Mutter gemeinsam zurück ins Hostal zu gehen. Da der Weg nicht weit war und nur über die Brücke führte, ließen wir die beiden alleine zurückgehen. Unsere Kleine wurde getragen und über die Schulter ihrer Mama blickend winkte sie uns so lange, bis sie uns nicht mehr sah. Mein Mann und ich blieben noch sitzen, um den Abend ruhig ausklingen zu lassen. Wir zählten die Störche ringsum auf den Dächern und kamen auf zwölf. Am Nebentisch saß ein weiteres junges Pilgerpaar aus Deutschland, welches sich angeregt über die erforderliche Nahrungsergänzung für die Strapazen auf dem Pilgerweg unterhielt. Die Frau hatte blonde Rastalocken und an ihrem Rucksack hing ein kleines » Wurfzelt «, in dem die beiden übernachteten. Sie brachen auch vor uns auf und suchten sich für ihr Zelt ein geeignetes Plätzchen. Nachdem wir ausgetrunken hatten, wurde es aber auch für uns Zeit, aufzubrechen. Als wir über die Brücke zurück zum Hostal gingen, sah
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