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Drei Irre Unterm Flachdach

Drei Irre Unterm Flachdach

Titel: Drei Irre Unterm Flachdach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastienne Voss
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bei Stummels vorbeigingen. »Da bist du ja! Ick ve r sohl dir den Hintern nach Strich und Faden!« schimpfte Wilma, aber Gustav nahm mich auf den Arm. »Das ve r zeihe ich mir nie!« flüsterte er, und ich atmete seinen Eukaly p tusduft.
    Ich stehe auf einem Hocker und halte den Telefonhörer in der Hand. Unter dem Foto im Fam i lienalbum Großvaters Kommentar: »Und unsre kleine Mausi telefoniert Weihnachten mit den Eltern.« Fünf Alben hindurch halte ich Wei h nachten den Telefonhörer in der Hand. Auf keinem der Fotos sehe ich glüc k lich aus.
    Mit sechs hatte ich mich Heiligabend in der Toilette eingeschlossen. Ich saß auf dem Klodeckel und wartete, was passi e ren würde. Es passierte nichts, und ich fragte mich, warum ich eigen t lich nie vermißt wurde. Die Antwort lag auf der Hand. Ich war der ganzen Welt egal. Also konnte ich auf dem Klo in Ruhe ste r ben.
    »Wo ist eigentlich unsere Mausi?« Großvater schlurfte an der Klotür vorbei. »Ich bin auf dem Klo!« rief ich. »Ich komme hier nicht mehr raus! Mama und Papa sollen ko m men!« Einen Moment war es draußen still, dann fing Großmutter schallend an zu lachen. »Das ist kein Spaß! Ich bleibe hier drin! Ihr könnt euer Scheißweihnachten alleine fe i ern!«
    Wieder war es still, dann redeten die beiden auf mich ein, doch es half nichts. Ich blieb stur. Großmutter wurde hy s terisch und hämmerte mit der Faust gegen die Tür. Obwohl es gerade erst Mi t tag war, hatte sie schon ihr Abendkleid an und wollte sich das schöne Fest durch meinen Affenzirkus nicht versauen lassen. »Jenni, Mausilein, willst du denn gar keine Geschenke?« bettelte Großvater und rüttelte an der Schiebetür. Nein, ich wollte keine Geschenke.
    Großmutter versuchte es mit einem Trick. »Ich muß pinkeln! Mach sofort auf!« keifte sie. »Dann geh doch in den Garten! Machst du doch sonst auch i m mer, wenn besetzt ist!« Ich ließ mich nicht austricksen.
    Dann hörte ich, wie Großvater telefonierte. Er sprach mit Mo s kau. »Einer von euch muß kommen. Egal wer. Die Mausi dreht durch. Sie hat sich in der Toilette eingeschlossen. Friedrich, verschiebe deine Prüfung, mach irgen d was, komm her!«
    Er war total überfordert. Den Kinderschreck anzurufen war nun wir k lich das äußerste Mittel.
    Als ich rauskam, ergriff Wilma meine Schultern und schüttelte mich durch. »So wat machste nich noch mal, haste jehört? Sonst kommste ins Heim!« »Quatsch nicht dämlich, dumme Gans!« fuhr Gu s tav sie an. Zu mir sagte er: »Wir haben es geschafft. Morgen kommt dein V a ter.« Am nächsten Abend stand der Kinderschreck im Schnee vor der Vera n datür. Er hatte eine neue Bärenfotze auf dem Kopf und lachte. Ich liebte ihn wie verrückt.
    Damals, als ich vor Glück an Vater hochgesprungen und ihm um den Hals gefallen war, hatte Großvater sich schweigend aus dem Staub gemacht. Die I n nigkeit, mit der wir uns zur Begrüßung umarmt und geküßt hatten, war ihm z u wider. Er, Gustav Voss, tat alles Menschenmögliche für mich. Nicht dieser U n mensch, dieser Kinderschreck, der alles falsch machte. Dem ich egal war, der ein eiskalter Karrierist war und der mich nur als Versuchskaninchen für seine faschistischen Erziehungsm e thoden benutzte. Gustav Voss wußte genau, wer mein Vater war. Er hatte ihn durchschaut. In seinen Augen war mein Vater ein mieses Schwein. Und was noch schlimmer war, er konnte ihn nicht mal ausschalten.
    Einmal hatte Großvater mich am Kragen gepackt. Ich mußte bis zum Abend in meinem Zimmer bleiben, weil ich von seinem Schreibtisch einen R a diergummi genommen hatte. Wegen der nicht abschließbaren Schieb e türen patrouillierte er draußen wie ein Wachposten auf und ab. Plötzlich riß er die Tür einen Spaltbreit auf und schob seinen Schädel hindurch, als wolle er kontro l lieren, ob ich noch da war. Mit seinem schütteren Pagenkopf und den Geheimrat s ecken sah er aus wie ein Geier. Wir guckten uns unverwandt in die Augen, dann rammte er die Tür wieder zu.
    Aus Langeweile fing ich an, die Tapete von der Wand zu reißen, unter der Großvaters Lieblingszeitung »Neues Deutschland« zum Vorschein kam. Ich machte weiter. Manchmal reichte ein kleiner Ruck, und eine ganze Bahn auf einmal fiel runter. Wie sich bald rausstellte, klebte an allen vier Wänden meines Kinderzi m mers das »Neue Deutschland«. Da steckte der Geier wieder den Kopf durch die Tür. »Warum hast du das gemacht?« Er bückte sich nach einem Ze i tungsschnipsel. »Das hättest du dir sparen

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