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Drei Irre Unterm Flachdach

Drei Irre Unterm Flachdach

Titel: Drei Irre Unterm Flachdach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastienne Voss
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m pen für Raketen.
    Großmutter schmückte das Haus mit Girlanden, Papie r schlangen und Luf t ballons. Schon beim Frühstück trug sie einen bunten Hut aus Pappe. Gustav hatte ihn für sie ausgesucht. Er fotografierte Wilma andauernd und bestand d a rauf, daß sie den Papphut den ga n zen Tag über aufbehielt. Später, wenn die Fotos in den Alben klebten, stand darunter in Großvaters g e schwungener Schrift: »Frauchen beim Schmücken«, »Frauchen auf der Leiter«, »Frauchen mit Papierschlangen«, »Fra u chen schwitzt beim Schmücken« und so weiter und so fort.
    Das dünne Gummiband von Großmutters Hütchen spannte, es drückte sich im Laufe des Tages tief in ihre Wangen. Doch sie setzte den Hut nicht ab. Meh r mals zog sie das Band vom Kinn weg und stöhnte: »Puh, dit kneift aber.« Dann pustete sie weiter Luftballons auf. Einmal glitt ihr der Ballon aus den Fingern und tänzelte durch die Luft. Hinterher flog Gro ß mutters riesiges Gebiß.
    Gustav kam nachsehen, wie sich die Ausgestaltung des Hauses entwickelte. Er lobte die Anordnung der Papie r schlangen und warf mit Knallerbsen, während Wilma auf allen vieren unter dem Tisch ihre Prothese suchte. »Ick hab mir grade die Zähne rausjeblasen!« lispelte sie und lachte. Einen Moment lang vergaß Gu s tav seinen Erbsenkrieg, krabbelte zu Wilma unter den Tisch und tätschelte ihre Wange. Sie waren ein schönes Paar, wie sie da beide unter dem Eßtisch kauerten, absolut ha r monisch. Nur sah Wilma ohne Zä h ne älter aus als Gustav, obwohl sie zwanzig Jahre jünger war.
    Gegen Abend kam Besuch. Silvester hatten wir immer Besuch, denn Großvater brauchte Pu b likum. Am besten war Westbesuch. Die Westler sollten staunen, was es im Osten für hervorragende Pyrotechnik gab.
    Jeder Besucher wurde mit einem Papierhut und einer roten Pappnase aussta f fiert. Die Anzahl der Pappnasen war begrenzt, was ein Glück für Gro ß mutter war. Sie hatte schon genug mit ihrem Hut zu tun. Außerdem behauptete sie, unter der Nase schlecht Luft zu kriegen. Daß sie den ganzen Tag das kneifende Gumm i band ertrug und sich sogar die Zähne rausblies, genügte voll und ganz. Das A t men wollte sie Großvater zuliebe nicht aufgeben.
    Die Gäste durften sich einen Papphut aussuchen. Das Sortiment war breit gefächert. Neben Hüten mit Fliege n pilzmuster gab es grüne, gelbe, rote und blaue Modelle. Sie sahen aus wie Übe r töpfe und hatten lange Fransen, die vor den Augen hingen. Wenn alle mit Hüten und Nasen versorgt waren, gab es ein erstes Glas Sekt.
    Bis ich neun war, mußte ich nach dem ersten Umtrunk ins Bett. Großvater meinte, ich sei sonst um Mitternacht, wenn er »abfeu e re«, nicht ausgeruht. Fünf vor zwölf wurde ich aus dem Tie f schlaf geholt. Großmutter riß die Schiebetür auf und zog mir die Decke weg. »Nu aber im Schweinsg a lopp anjezogen, is gleich soweit!«
    Ich stand frierend auf der Terrasse, während Großvater sein gigantisches Feuerwerk abfackelte. Die Silvestergesel l schaft stieß pausenlos an und brüllte über das Zischen und Krachen hinweg: »Prost Neujahr!« Unser Garten glich e i nem Flammenmeer.
    Sobald die letzte Rakete verschossen war, mußte ich zurück ins Bett. Leider konnte ich nicht einschlafen, weil Großmutter im Wohnzimmer »Laurenzia« plärrte und der Besuch schallend mit einstimmte. Alle Gäste standen im Kreis, hielten sich an den Händen und machten Kniebeugen beim Singen. Ohne Kni e beugen machte das Lied keinen Spaß.
    Am nächsten Morgen lobte Großvater sein Feuerwerk und streichelte meinen Kopf. »Na Jenni, das war doch wieder mal ein schönes Silvester!«

 
    Viertel – halb – voll
     
    In unserm Freundeskreis gab es eine algerische Großmutter. Sie war die Mutter der Mutter meiner Freundin Nelly Machnit z ki. Und Nelly Machnitzkis Mutter war die beste Freundin meiner Mutter.
    Ich beneidete Nelly um ihre Großmutter. Sie war die schönste Frau im Gro ß mutteralter, die mir je begegnet war. Sie hatte Falten, aber die Haut war weiß wie Schnee, der Mund rot wie Blut und das Haar schwarz wie Ebenholz. Sie wurde Mamu genannt, wobei wichtig war, daß man das »u« betonte, und kochte Couscous. Couscous, das klang besser als Buletten, romantisch und unerreic h bar. Nellys Mutter war genauso schön wie Mamu, aber um sie bene i dete ich Nelly nicht so sehr, denn meine Mutter sah auch toll aus. Sie trug einen falschen Zopf, dessen Ende sich in ihrem N a cken kringelte, hatte eine hohe Stirn, graugrüne Katzenaugen und war

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